„Fast alle erzählen von ihren Sorgen“
Ich bin Arbeiter-Betriebsrat beim Gasnotruf der Linz Netz GmbH. Wenn es irgendwo einen Gasgeruch gibt oder die Nummer 128 angerufen wird, rücke ich zusammen mit einer KollegIn aus, um die Lage vor Ort anzuschauen und wenn möglich zu beheben. Wir sind also ständig unterwegs und treffen auf die unterschiedlichsten Leute und Realitäten.
Im Betrieb haben wir Gott sei Dank keine Kurzarbeit und keineR hat einen finanziell großen Verlust hinnehmen müssen. Nur die Arbeitszeiten wurden verschoben und die Abstände zwischen den Menschen sowie die Hygienevorschriften müssen eingehalten werden. Bezüglich Arbeitsaufwand hat sich während der Corona-Zeit und auch jetzt wenig geändert. Mehr Unsicherheit merke ich bei unseren Kunden. Bei meinen vielen Kontakten erzählen mir die Leute wie es ihnen geht. Und fast alle berichten von ihren Sorgen und wie sie finanziell kämpfen, um über die Runden zu kommen. Besonders Kleinunternehmen wie z. B. Trafikant, Gaststätten, Würstelstand usw. scheinen enorm betroffen und stehen oft ohne nennenswerte Unterstützung da.
Da ich ständig unterwegs bin, hatte ich zu Beginn große Angst um meine Eltern, die schon sehr alt sind, und meine engeren Verwandten, die zur Risikogruppe gehören. Jetzt bin ich etwas entspannter, aber natürlich immer noch vorsichtig. Ich merke oft bei Verwandten und Kollegen, dass sie verunsichert sind, wie sie reagieren sollen, was erlaubt ist, was nicht. Und das schafft viel Unsicherheit und beeinflusst auch die Beziehungen zu den Kunden. Keiner will etwas falsch machen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie jemand es aushalten kann, die Maske acht Stunden und mehr am Arbeitsplatz durchgehend tragen zu müssen. Durch die vielen und ständigen Änderungen bin ich mir auch gar nicht mehr sicher über die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen.
Während der Einschränkungen hat mir das Telefonieren mit meiner Familie, meinen KollegInnen und Freunden gutgetan – und seit kurzem, dass wir uns wieder treffen können. Auch die Rückmeldungen, die wir als Betriebsräte bekamen, dass unsere Firma gut umgeht mit der Belegschaft und wir einen sicheren Arbeitsplatz haben, tun gut.
Zu Beginn der Krise dachte ich – hoffte ich auch – es wird sich an der Lebens- und Arbeitseinstellung von uns allen einiges ändern. Jetzt merke ich leider, dass alles wieder wird wie es war. Weil die Wirtschaft am Boden liegt, muss alles aufgeholt werden und der Druck wird weitergegeben. Es wäre gut, wenn wir wieder mehr darauf achten würden, regionale Produkte einzukaufen und zu konsumieren. Ich frage mich auch, was der Sinn der Krise für unsere menschliche Entwicklung und unsere Gesellschaft sein kann. Ich denke mir, dass die Freiheit, die wir in Österreich haben, viel wert und gar nicht selbstverständlich ist!
Meine Hoffnung ist, dass wir die Intensität, mit der wir in den vergangenen Wochen Kontakte gesucht und gepflegt haben, beibehalten – auch wenn die Krise abebbt. Und ich hoffe auch, dass wir und die Politik verstehen, dass wir mehr regional wirtschaften und nicht in Billiglohnländer auslagern sollen.
Und besonders hoffe ich, dass die Menschen, die „so wichtig“ waren in Coronazeiten, die sogenannten systemrelevanten Leute, nicht nur beklatscht werden, sondern auch faire Löhne bekommen, die dem Wert ihrer Arbeit entsprechen. So wie es der ÖGB-Präsident formuliert hat: „Hört auf zu klatschen, zahlt ihnen lieber gerechte Löhne.“