„Zusammenhalten und sich nicht alles gefallen lassen“
Jeden dritten Tag kommt ein älterer, alleinlebender Herr ins Geschäft, um Kontakt zu haben und ein wenig zu plaudern. Dabei wahrt er den Abstand, trägt Handschuhe und Mundschutz und wartet, bis jemand von Verkaufspersonal Zeit für ihn hat. Wichtig ist ihm dabei, dass er – wie er sagt – nicht immer der gleichen Person auf die Nerven geht. Diese regelmäßige Begegnung erlebt der 40jährige Verkäufer als schönen Moment im Arbeitsalltag und als eine Bereicherung zu den teilweise schwierigen KundInnenkontakten.
„Jetzt dauert die Ausnahmesituation den Menschen schon zu lange. Das merkt man daran, dass sie manchmal einen Rundumschlag machen, wenn z. B. ein Produkt nicht mehr lagernd ist“, erzählt der Mitarbeiter. Waren es zu Beginn die Absperrbänder, die einfach ignoriert und überklettert wurden, so gibt es jetzt oft Probleme mit den Schutzmasken. „Die Menschen bekommen beim Eingang Gratismasken. Dann kommen sie in die Abteilung und halten diese in der Hand. Wenn ich sie darauf anspreche, begründen sie es damit, dass die Schutzmaske unangenehm ist, sie damit keine Luft bekommen und außerdem die Maske das Sprechen erschwere“, so beschreibt der Mitarbeiter den Umgang mancher KundenInnen mit dem Mundschutz.
Alle sind davon abhängig, dass sich die KundenInnen an die Absperrungen und Markierungen halten.
Geschieht dies nicht, gibt es wenig Handlungsmöglichkeit. „Ich muss immer wieder belehrend sein und das nervt auf Dauer. ‚Der Kunde ist König‘, aber nicht um jeden Preis. Glauben die Leute, dass wir nichts wert sind, nur, weil wir im Verkauf stehen? Auch wir haben einen Beruf gelernt und auch wir gehen ehrlich arbeiten und verdienen so unser Geld.“, sagt der Verkäufer. „Vor einigen Tagen ist mir eine Kundin beim Verkaufsgespräch immer nähergekommen, weil sie mir am Handy ein Produkt zeigen wollte. Nachdem ich sie mehrmals vergeblich gebeten habe, den Abstand einzuhalten, bin ich gegangen. Mein Chef hat das in der Kamera gesehen und mich daraufhin zur Rede gestellt. Er hat meinen Standpunkt aber verstanden und anschließend noch einmal mit der Kundin gesprochen. Wir haben zumindest das Glück, dass er hinter uns MitarbeiterInnen steht, ganz egal was passiert“, erzählt er „Wenn es Probleme gibt, kann ich zu ihm gehen und wir finden eine gemeinsame Lösung. Das hilft schon sehr“.
Kraft gibt ihm in diesen Tagen vor allem die Familie, aber auch der geregelte Tagesablauf durch das Arbeiten-Gehen. „Ich bin beschäftigt, tu etwas und sehe Leute“, erzählt der Verkäufer. Er schätzt auch der Zusammenhalt unter den KollegInnen sehr. Für herausfordernde Begegnungen mit KundInnen im Arbeitsalltag haben sie im Team eine Lösung gefunden. „Dann schimpfen wir eben kurz mal im Kollektiv über das Benehmen der Menschen und wenn eine Kundschaft besonders unfreundlich zu KollegInnen gewesen ist, dann kann es vorkommen, dass diese nun von allen ignoriert wird. Irgendwie braucht der Frust über solche Leute auch ein Ventil. Besonders in diesen Monaten müssen wir zusammenhalten und uns nicht alles gefallen lassen“, ist der Verkäufer überzeugt.
„Am Anfang der Corona-Krise waren wir für die KundInnen noch die ‚Helden und Heldinnen des Alltags‘. Inzwischen ist davon kaum noch etwas zu spüren.“