Frauenpolitik - von Stillstand geprägt?
Sonja Ablinger stellte 11 Forderungen des Frauenvolksbegehrens von 1997 vor und analysierte, was davon politisch umgesetzt wurde. Die Bilanz ist ernüchternd: Die Problemfelder sind dieselben wie vor 20 Jahren: Einkommensgerechtigkeit, Aufstiegschancen, Altersarmut, Kinderbetreuung als Frauenangelegenheit usw. Trotz etwa 650.000 Unterschriften wurde nur wenig umgesetzt, wie etwa die Abschaffung des PartnerIneinkommens bei Notstandshilfe und Ausgleichszulage.
Einkommensunterschiede, Altersarmut
Ein wesentlicher Punkt 1997 war die Forderung, öffentliche Aufträge und Förderungen nur an jene Firmen zu vergeben, die dafür sorgen, dass Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sind. Diese Kopplung gibt es nicht. Gekommen ist stattdessen die Pflicht zu Einkommensberichte für Firmen ab 150 Beschäftigte. Das bringt zwar mehr Transparenz, doch gibt es keine Verpflichtung, sich mit dem Ergebnis auseinander zu setzen und entsprechende Maßnahmen Richtung Gleichstellung zu treffen. Die Forderung nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit verpuffte ebenfalls. Noch immer ist ein Mindestlohn von € 1500,-- brutto nicht durchgehend umgesetzt, zu 2/3 trifft das Frauen. Der Gender Pay Gap blieb die letzten 20 Jahre für Berufstätige praktisch unverändert.
Bei PensionIstinnen sind hingegen deutliche Verschiebungen festzustellen - leider jedoch in Richtung Verschlechterung für Frauen. Durch die Änderung der Durchrechnungszeiträume bei der Pensionsreform 2003/04 ergibt sich jetzt schon ein Gender Pension Gap vom 53 %. Tendenz steigend, wenn Frauen in Zukunft nur noch in diesem System in Pension gehen werden. Die Forderung des Frauenvolksbegehrens, "Keine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen, bevor nicht Gleichberechtigung in allen Bereichen gegeben ist", blieb ohne Wirkung: Ab 2024 gilt das gleiche Pensionsantrittsalter für Männer und Frauen. Gleichzeitig rutschte Österreich im Ländervergleich der Geschlechterdifferenz in den letzten 10 Jahren von Platz 26 auf Platz 52 ab. (Global Gender Gap des World Economic Forum, Geschlechterdirfferenz in Bezug auf wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit, Bildung, Gesundheit und politische Partizipation in 144 Ländern)
Frauen, Kinder - und die Väter?
Viele Forderungen des Frauenvolksbegehrens von 1997 betrafen die Gleichstellung im Rahmen der Familienpolitik: Karenzregelungen, Recht auf Kinderbetreuungsplätze, rechtliche Gleichstellung von Teilzeitarbeit. Doch immer noch bleibt die Vereinbarkeitsfrage großteils an Frauen hängen. "Vereinbarkeit ist eine Frage von jungen Eltern, nicht von Frauen", betonte Sonja Ablinger die Notwendigkeit einer Bewußtseins- wie auch Systemänderung. Der Staat als Instrument der Umverteilung in Richtung Gerechtigkeit und Gleichstellung hat hier eine wesentliche Steuerfunktion, daher ist es umso bedenklicher, dass in den vergangenen 20 Jahren der Rückbau des Wohlfahrtsstaates forciert wurde.
Es ist Zeit!
Die Forderung nach Gleichstellung von Frau und Mann braucht also einen neuen Anlauf. Junge Frauen haben sich mit dem neuen Frauenvolksbegehren zum Ziel gesetzt, Gleichstellung wieder öffentlich zu thematisieren und voranzutreiben. Die geplante Eintragungswoche im Frühling 2018 öffnet die Chance auf Solidarisierung zwischen den Geschlechtern und auf ein öffentliches Eintreten für ein Leben in Gerechtigkeit, wovon Männern genauso profitieren wie Frauen!
Zwischen Resignation und Aufbruch, so ließe sich die Stimmung in den Reihen der mehrheitlich weiblichen TeilnehmerInnen am Sozialstammtisch beschreiben. Doch wenn es gelingt, Frauenthemen politisch wieder in den Vordergrund zu stellen, ist Österreich vielleicht in 20 Jahren nicht wieder mit dem Befund "Stillstand!" konfrontiert.
Elisabeth Zarzer