Welthandel & Fluchtursachen
Dr. Boniface Mabanza ist Literaturwissenschaftler, Philosoph und Theologe und stammt aus Kimbongo in der Republik Kongo. Er arbeitet bei „Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika“ (KASA) in Heidelberg.
Der Besuch in Braunau-St. Peter war der Schlusspunkt einer "Speakers Tour" des Referenten im Anschluss an Wien, Linz und Graz. Veranstaltet wurde der Abend vom Treffpunkt mensch & arbeit Braunau in Zusammenarbeit mit der Kath. ArbeitnehmerInnen Bewegung OÖ, Weltumspannend arbeiten, ÖGB Braunau, Kath. Frauenbewegung im Dekanat Braunau, Pfarrzentrum St. Peter am Hart und Kath. Bildungswerk Mining.
Rund 60 BesucherInnen kamen ins Pfarrzentrum. Betriebsseelsorger Karl-Heinz Hellinger vom Treffpunkt mensch & arbeit Braunau dankte dem Referenten für seinen Besuch in Braunau und zitierte zum Start Angela Merkel: „Ich bin jetzt zufrieden, dass es gelungen ist, deutlich zu machen, dass wir deutlich gesagt haben, Märkte müssen offen gehalten werden. Dass es darum geht, den Protektionismus zu bekämpfen und unfaire Handelspraktiken.“ (beim G 20 Gipfel 2017 in Hamburg) Und wie sieht es mit unfairen Handelspraktiken in Afrika aus? Welchen Handel hat sich die EU-Kommission für Afrika vorgestellt? Dies war die Überleitung zu den Ausführungen von Dr. Mabanza.
Bis 2000 gewährte die Europäische Union im Rahmen des Cotonou-Abkommens, benannt nach der Hauptstadt des Benin, den Ländern Afrikas, der Karibik und den pazifischen Staaten (AKP) zollfreien Zugang zum Europäischen Markt.
Die Welthandelsorganisation (WTO) betrachtete dies aber als einseitige Bevorzugung und Diskriminierung anderer Entwicklungsländer. Dies ist der Grund, dass seit 2002 sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der EU verhandelt werden. Der Widerstand dagegen aber ist groß.
Wenn Ghana etwa seinen Markt öffnet, verliert das Land Zolleinnahmen von 380 Millionen Euro im Jahr. Ghana bekäme zwar Ausgleich aus einem Fond, so Dr. Mabanza, aber der Verlust wäre dennoch beträchtlich: Geld, das dann für Bildung, Gesundheit und Basisinfrastruktur fehlt.
Vorhersehbare verheerende Folgen
Leider ist seit den 80er Jahren eine Tendenz zur De-Industrialisierung in Afrika zu beobachten. Nigeria lehnt die Freihandelsabkommen mit der EU deshalb auch ab, weil es bei einer Marktöffnung mit den Industrieprodukten aus der EU nicht konkurrieren könnte, was für die heimische Industrie verheerend wäre.
Auch die Ernährungssouveränität ist bedroht. Dr. Mabanza erklärte das am Beispiel von Benin: Das Land wird überschwemmt von Billighühnerfleisch aus Europa. Die Folge ist, dass niemand mehr heimische Hühnchen kauft. Die Bauern können mit den Preisen für das hochsubventionierte Fleisch aus Europa einfach nicht mithalten. Nun bedroht das billige Fleisch auch die Bauern des benachbarten Nigeria.
Viele Länder haben ihre Landwirtschaft bereits auf Exportprodukte umgestellt, nur um an Devisen für den Schuldendienst zu kommen: „Wir produzieren Dinge, die wir nicht brauchen und konsumieren Dinge, die wir nicht produzieren“, zitierte Dr. Mabanza einen afrikanischen Politiker. So wurden viele Kleinbauern verdrängt, die Tomaten, Fleisch und Milch für den lokalen Markt lieferten.
Nun sollen auch die Exportsteuern auf Rohstoffe wegfallen. Was die Rohstoffe für die Europäische Wirtschaft verbilligt, fehlt auf der anderen Seite für die Staatshaushalte und für den Aufbau einer verarbeitenden Industrie. Vielen Menschen in Afrika fehlt der Zugang zu Bildung und selbst ausgebildete Menschen finden nur schwer Arbeit.
"Damit brauchen wir uns nicht wundern", so der Referent, "wenn extremistische Gruppen wie 'Boko Haram' in Nigeria und andere Zulauf haben, mit der Folge, dass ländliche Gebiete nicht mehr sicher sind. Was sollen Menschen tun, wenn sie keine Perspektiven haben in ihrem Land? Sie hoffen, sie wo anders zu finden."
Für diese Freihandelsabkommen übt die Europäische Union enormen Druck aus und droht Strafzölle für afrikanische Waren an. Anstatt die viel zitierten Fluchtursachen zu bekämpfen, trägt die EU mit solchen Abkommen eher noch dazu bei, die Lebensgrundlagen Afrikas zu gefährden.
Nutznießer dieser Politik sind einmal mehr die Konzerne, die damit an billige Rohstoffe kommen.
Karl-Heinz Hellinger, Treffpunkt mensch & arbeit Braunau