Cardijn - eine wichtige Wurzel für die Pastoral in der Arbeitswelt
Ein festlicher Gottesdienst mit anschließender Agape, Erinnerungen und Gedanken von Menschen, deren Tun von der Botschaft Cardijns geprägt war und heute noch ist, viele Gespräche und Begegnungen machten diesen Tag zu einer stärkenden, ermutigenden Feier.
Joseph Cardijn (1882-1967) war Vorreiter des Laienapostolats und prägte damit das II. Vatikanische Konzil. Er ist der Gründer der Katholischen ArbeiternehmerInnen Jugend (KAJ), einer internationalen Bewegung, die in Belgien ihren Ausgangspunkt hatte. Viele der Anwesenden - so die während der Feier geschriebenen und gesprochenen Zeugnisse - wurden durch dieser Bewegung begeistert und fanden dadurch die Kraft, sich für Gerechtigkeit und Menschenwürde einzusetzen und Verantwortung für die Gestaltung von Arbeitswelt und Gesellschaft zu übernehmen.
Ermutigung für heute und morgen
Die vielen TeilnehmerInnen zeigten, dass Cardijns Botschaft noch lange nicht vergessen ist. BetriebsseelsorgerInnen, JugendleiterInnen und AktivistInnen der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung stützen sich für ihr tagtägliches Tun auf seine Lehre und sein Vorbild. Wie Cardijn leben auch sie „eine Kirche, die hingeht“. Wie er gehen sie auf Lehrlinge, ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose in ihren jeweiligen Lebens- und Arbeitswelten zu und fragen sie, wie es ihnen geht, was sie beschäftigt. Viktoria Habenschuß drückte das in ihrem Statement so aus: „Für mich ist Cardijn ein Mann, der wußte, was er wollte und für wen er sich einsetzte und der das nie aus dem Blick verlor - auch wenn es unangenehm oder schwierig wurde. Er muss ein Mensch gewesen sein, der die ArbeiterInnen liebte, denn nur so konnte er ihnen vor den Fabriken und auf der Straße diese Würde entgegenbringen. Das möchte ich mir in meine Arbeit mit den Lehrlingen mitnehmen. Wenn ich bei jeder Begegnung nur einen Bruchteil dieser Würde vermitteln kann, ist das sehr gut." Cardijn war zutiefst überzeugt von der Würde der jungen Arbeiter und Arbeiterinnen: „Die Ehre Gottes ist der in seiner ganzen Würde lebendige Mensch. Du bist kein Lasttier, du bist keine Maschine, sondern du bist das Ebenbild Gottes, ein Tempel, ein Heiligtum.“
In einer Zeit, in der Arbeit ausgelagert wird in Billiglohnländer, in der Arbeit angeordnet wird von automatisch generierten Datenflüssen oder durch Digitalisierung völlig unsichtbar wird, braucht es dringend wieder eine Stärkung der Menschenwürde. „Hier arbeitet ein Mensch“, der Leitspruch von KAB und Betriebsseelsorge, ist sowohl Zuspruch als auch Aufruf - ein Zuspruch, dass du Mensch bist, und nicht nur Arbeitskraft oder Kostenfaktor - ein Aufruf, um durch deine Arbeit die Welt schöner, gerechter und „Gott-durchlässig" zu machen.
Die Botschaft weitertragen
Damit die durch Cardijns KAJ initiierte Bewegung weiterhin (junge) ArbeitnehmerInnen ansprechen und eine Pastoral in der Arbeitswelt gelingen kann, braucht es viel Einsatz von engagierten Menschen, aber auch ein klares Bekenntnis von Seiten der Kirche, dafür Strukturen und Mittel zur Verfügung zu stellen.
Für die Leiterin der Betriebsseelsorge, Anna Wall-Strasser, ist eine Weiterführung des Erbes Cardijns unverzichtbar: Arbeit ist ernst zu nehmen als ein Ort, an dem sich Heil oder Unheil für den/die EinzelneN ereignet. Das gilt es zu gestalten. Die Kirche muss bewusst haben, dass in der Arbeitswelt gesellschaftliche Macht und existentielle Lebenschancen verteilt werden. Wer unter welchen Bedingungen für wen arbeitet bzw. arbeiten muss, bestimmt seinen/ihren Platz in der Gesellschaft. Mehr denn je gilt es, die gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen zu fordern. Vor dieser politischen Verantwortung dürfen sich ChristInnen nicht drücken.
Ein „Follower“ von Cardijn sieht seine Arbeit nie erledigt, auch wenn er selbst schon die Welt der Erwerbsarbeit hinter sich gelassen hat. Der Aktivist Hans Riedler schrieb dazu am 135. Geburtstag von Cardijn Folgendes:
"Ich gehöre zu den Privilegierten, die Cardijn drei Mal persönlich erlebt haben. Jedes Mal versuchte er uns mit dem Bild eines kranken Fisches ins Bewusstsein zu rufen, dass sich die Situation der jungen Arbeiter und Arbeiterinnen, ja der gesamten Arbeiterschaft nur dann positiv verändern wird, wenn zur unbedingt notwendigen Änderung der Gesinnung bei jeder und jedem von uns gleichzeitig eine Strukturreform stattfindet. Der kranke Fisch kann nur dann gesund werden, wenn das Wasser, in dem er sich befindet, ausgewechselt wird. Dieses Bild ist bis heute in mir eingraviert und prägt noch immer mit meinen bald 80 Jahren meine sozial- und gesellschaftspolitischen Aktivitäten. Es ist für mich aktueller denn je. Es bedarf großer Anstrengungen und einer Bereitschaft die Strukturen – z.B. unser Steuersystem – bei uns in Österreich und weltweit in Richtung mehr Verteilungsgerechtigkeit zu verändern, damit der kranke Fisch mehr frisches Wasser bekommt."
Predigtgedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Artikel in der KirchenZeitung Linz vom 7. 11. 2017: Von Cardijn können wir lernen