Lebensqualität für alle!
Sie ist nicht das "Ende der Geschichte", aber ein nächster möglicher Schritt, die Menschen und die Gemeinschaft wieder in den Mittelpunkt unseres Wirtschaftssystems zu bringen. Paul Ettl erzählt über sein Engagement, über die Gemeinwohlbausteine und was wir als BürgerInnen konkret tun können.
Laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung vom Juli 2010 wünschen 88 Prozent der Deutschen und 90 Prozent der ÖsterreicherInnen eine „neue Wirtschaftsordnung“. Seit der Bankenkrise 2008 ist es viele EuropäerInnen klar geworden, dass es einen Umschwung braucht. Doch: ist dieser neoliberale Kapitalismus noch zu retten oder brauchen wir eine ganz neue Wirtschaftsordnung?
Die Gemeinwohlökonomie hat zum Ziel, die Werte, die das menschliche Zusammenleben gelingen lassen, erneut in unsere Art des Wirtschaftens hinein zu bringen und zu stärken. Es ist noch nicht so lange her, dass Bank-Kooperativen, wie damals die Raiffeisenbanken, die erste Anlaufstelle für kleine Investitionen waren. Da die Bank von einer regionalen Gemeinschaft getragen wurde, wurde man verlässlich beraten. Anders Wirtschaften ist also möglich. Dazu braucht es aber andere Bewertungssysteme und Parameter als Gewinnmaximierung und höhe Dividenden.
Gemeinwohlbilanz
Der Verein für Gemeinwohl stellt Unternehmen, aber auch Privatpersonen, einen Gemeinwohlraster zur Verfügung um ihren Beitrag zu Menschwürde, ökologischer Nachhaltigkeit, Solidarität, sozialer Gerechtigkeit und Demokratie zu messen. Seit 2011 können oberösterreichische Unternehmen diesen Raster, diese Gemeinwohlbilanz, ausfüllen und publizieren. Welchen Beitrag ein Unternehmen für die Gemeinschaft oder die Umwelt leistet, soll messbar und sichtbar gemacht und belohnt werden. Als KonsumentIn kann man das Kaufverhalten an den Gemeinwohlbilanzen orientieren. Darüber hinaus gibt es verschiedene Hebel, die PolitikerInnen bedienen könnten. Es wäre möglich, nur Betriebe mit einer positive Gemeinwohlbilanz für öffentliche Beschaffungen heranzuziehen, Steuervorteile zu bieten oder Gemeinwohlbetriebe extra zu fördern.
Wie kann Gemeinwohl-Ökonomie unterstützt werden?
Was kann man als Einzelperson ausrichten, um die Gemeinwohl-Ökonomie Realität werden zu lassen? Einen ersten Schritt wäre, sich als UnterstützerIn des Ansatzes der Gemeinwohlökonomie zu bekennen. Das geht ganz leicht auf der Website www.ecogood.org.
Man kann sich als Privatperson über seine Gemeinwohlbilanz beraten lassen oder, wie schon vorher erwähnt, sein Kaufverhalten nach Gemeinwohlbilanzen orientieren. Wir können Firmen in unserem Umfeld mit der Gemeinwohlbilanz bekannt machen und sie überzeugen, jährlich solche Bilanzen zu publizieren. Die Umsetzung der Gemeinwohl-Ökonomie erfordert intrinsische Motivation und Eigenverantwortung, rechtliche Anreize, einen ordnungspolitischen Rahmen sowie Souveränsbewusstsein. Alle Menschen, Unternehmen, Gemeinden, Organisationen und Institutionen können sich an der Weiterentwicklung der Wirtschaftsordnung in diese Richtung beteiligen.
Wir danken Paul Ettl für seine klaren Erläuterungen und für die vielen Praxisbeispiele. Zusammen mit ihm tauschten wir Visionen aus und besprachen die derzeitigen Hürden, die verhindern, dass die Gemeinwohl-Ökonomie auf Anhieb flächendeckend greift.
Stefan Robbrecht-Roller
Fotoquelle: Konrad Otto Europe