5 Jahre Ökumenisches Sozialwort
Das führten Bischof Dr. Ludwig Schwarz, Bischof em. Dr. Maximilian Aichern, Superintendent Dr. Gerold Lehner und Mag.a Margit Appel (KSÖ, Koordinatorin des Netzwerkes Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt) in ihren Statements am Donnerstag, 20. November 2008 im Bildungshaus Betriebsseminar in Linz aus.
Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung
Das Sozialwort sei ein Auftrag, für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten, erklärte Bischof Schwarz. "Wir können nicht von Nächstenliebe sprechen, wenn wir satt sind und rund um uns Millionen in den täglichen Existenzsorgen fast umkommen, viele tatsächlich vor Hunger umkommen."
Der Linzer Diözesanbischof betonte weiters, dass die im Sozialwort formulierten Herausforderungen noch immer aktuell seien. Konkretes Beispiel sei besonders in Anbetracht der aktuellen Finanzkrise das eindeutige Bekenntnis des Sozialwortes zu einem umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems im Gegensatz zur Kapitalanlage auf eigenes Risiko.
Gefahr eines Klimas des Verdachts
Auch Superintendent Dr. Gerold Lehner unterstrich die Aktualität des Sozialwortes. Besonders Themenfelder wie Integration, Bildung und Medienethik würden an Gewicht gewinnen. Lehner ortete besonders im Umgang mit Minderheiten die Gefahr, sich von einem Klima des Verdachts leiten zu lassen, statt von der Bereitschaft zu helfen. So forderte er, Pauschalisierungen und Klischees aktiv mit Begegnungen und Verständnis und Kenntnis voneinander und füreinander entgegenzutreten.
Lehner regte weiters an, dass im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit in unserer Gesellschaft die in und für die Gesellschaft geleistete Arbeit neu bewertet werden müsse. Dabei ginge es weniger um eine Polemik gegen einzelne Berufsstände und Spitzen der Gehaltspyramide, sondern eher um eine Aufwertung der Grunddienste der Gesellschaft
Abrutschen des Mittelstandes - prekär wird mehr
Mag.a Margit Appel zeigte bei ihrem Referat zum Thema "Abrutschen des Mittelstandes - prekär wird mehr" anhand der Diskussion zur Erbschafts- und Schenkungssteuer auf, dass der "Mittelstand" durch die Angst vor dem Abrutschen und die gleichzeitige Hoffnung auf den Aufstieg dazu neige, falsche politische Allianzen einzugehen und "Gesellschaftslügen" aufzusitzen.
Appel warnte vor der Prekarisierung als gesamtgesellschaftliche Drohung. Prekarisierungsprozesse lösten eine fundamentale Verunsicherung der Lebens- und Arbeitssituation und eine Erosion des gesamten Niveaus der sozialen Rechte aus.
Wie setzt die Kirche das Sozialwort um
Otto Märzinger, Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der Diözese Linz, und Generaldechant Mag. Franz Wild, Pfarrer und Dechant in Traun, zeigten die Umsetzung des Sozialwortes in der katholischen Kirche in Oberösterreich auf:
Viele Dinge seien erreicht worden, beispielsweise das Gleichstellungsprojekt, die Bemühungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch die Spreitzung der Gehaltstafel, wo die Differenz von niedrigstem zum höchsten Einkommen bewusst eng begrenzt sei. Aber auch die Entscheidung für ethisches Investment im Bereich der Mitarbeitervorsorgekassen, eine Sabbaticalregelung um Auszeiten nehmen zu können und die ökologischen Bemühungen z.B. durch den Beitritt zum Klimabündnis, seien konkrete Schritte der letzten Jahre.
In den Pfarren gebe es Gespräche mit politischen VertreterInnen und Gesprächsrunden mit Betroffenen wie zum Beispiel einen "Arbeitslosenstammtisch". Das Sozialwort diene dabei als Anlass, das Thema "Arbeit" in Zusammenarbeit mit den Betriebsseelsorgezentren "Treffpunkt Mensch & Arbeit" in die pfarrliche Arbeit einfließen zu lassen.
Erschreckende Zahlen: Caritas für Menschen in Not
Franz Xaver Mayr, Leitung Beratung und Hilfe Linz der Caritas für Menschen in Not, forderte weiterhin ein engagiertes Auftreten der Kirchen, da die Probleme und Herausforderungen, die das Sozialwort formuliert, aktueller denn je seien: Beispielsweise fielen 2003, im Jahr des Erscheinens des Ökumenischen Sozialwortes, 300.000 Menschen unter den Begriff "akute Armut", 2006 waren es schon 459.000 Menschen und eine Million waren armutsgefährdet.
Persönliche Verantwortung gefordert
DDr. Severin Renoldner, Leiter des Sozialreferats der Diözese Linz, zeigte abschließend die Schwierigkeit auf, einzuschätzen, welche konkreten Maßnahmen in den letzten fünf Jahren durch das Sozialwort ausgelöst worden waren. Aber im Endeffekt bringe "das Ökumenische Sozialwort gerade so viel oder so wenig, als WIR dazu beitragen und uns einsetzen".
Das Sozialwort ist eine Initiative der 14 christlichen Kirchen in Österreich, das im Advent 2003 veröffentlicht wurde. Gemeinsam wollen sie zu gesellschaftlichen Herausforderungen Stellung nehmen und ihre gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen.
Es soll als Grundlage für Diskussionen und Veranstaltungen dienen und zur Weiterarbeit anregen.
www.sozialwort.at
Statement Bischof Schwarz
Zitate aus dem ökumenischen Sozialwort
Wirtschaften im Dienste der Menschen |
Ziel alles Wirtschaftens und Arbeitens: gutes, menschwürdiges Leben für alle Menschen dieser Erde. (160) |
Einkommen, Selbstwert und Anerkennung |
Wo Erwerbsarbeit schlecht bezahlt wird oder geringes Ansehen genießt, werden auch die Menschen abgewertet, die diese Arbeit ausüben. (164) |
Gute Arbeit |
Da Erwerbsarbeit Identität schafft und wichtiger Teil des Lebens ist, gewinnen Qualitätskriterien besondere Bedeutung … Gute Arbeit gewährt ein angemessenes Einkommen, respektiert menschliche Fähigkeiten und die Menschenwürde und bezieht sowohl das Produkt wie die Belange der Umwelt als Kriterien ein. (170) |
Markt und sozialer Ausgleich |
Wo der Markt sich selbst überlassen bleibt, entsteht Ungleichverteilung von Einkommen, Vermögen und Bildungschancen. Aufgabe der Politik ist es, durch Bereitstellung einer allen zugänglichen Infrastruktur, durch eine ausgleichende Steuer- und Sozialpolitik, durch rechtliche Regelung von Arbeit und Wirtschaft dafür zu sorgen, dass alle Menschen einen gerechten Anteil an den gemeinsam erwirtschafteten Gütern und Leistungen erhalten und menschenwürdig leben können. (191) |
Freiheit braucht Sicherheit |
Der Sozialstaat ist Voraussetzung dafür, dass die Werte von Individualität und Freiheit nicht nur ein Privileg der Einkommensstarken und Vermögenden sind, sondern allen Menschen zukommen. (212) |
Gesellschaftlicher Reichtum |
Soziale Sicherheit macht Gesellschaften nicht arm, sondern ist ein wesentliches Element des sozialen Zusammenhalts. … Die solidarische Absicherung von Risiken … sind Reichtums- und Wohlstandsindikatoren einer Gesellschaft. (213) |
Effizienz und Sicherheit |
Die Stärke der Sozialversicherungen liegt in der großen Zahl der Mitglieder und BeitragszahlerInnen und im solidarischen Ausgleich. … Dieses Umlagesystem ist … wesentlich sicherer als private Versicherungssysteme, die vom Kapitalmarkt und den Börsen abhängig sind. (214) |
Menschengerechte Arbeit |
Die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften bemühen sich in ihren Organisationen und Betrieben um menschengerechte Arbeitsbedingungen, Einkommensgerechtigkeit und Mitbestimmung der Beschäftigten. (178) |
Einsatz für sozialen Zusammenhalt |
Die Kirchen treten ein für eine den heutigen Herausforderungen entsprechende Weiterentwicklung des Sozialstaates und deshalb für eine breite Diskussion aller gesellschaftlichen Kräfte darüber, wie eine grundlegende sozialpolitische Absicherung für alle eingerichtet werden kann. (225) |