Die EU gestalten
Das EU-Parlament arbeitet anders als das österreichische Parlament. Im Nationalrat werden vorwiegend Regierungsvorlagen beschlossen. Die EU-Kommission hat das Initiativrecht, das heißt sie erarbeitet Gesetzvorschläge. Im EU-Parlament ist ein Gesetzesentwurf der EU-Kommission, ein Vorschlag an dem gearbeitet werden soll. Das erfolgt in Ausschüssen.
So wurde zum Beispiel die Saatgut-Verordnung diese Woche auch im Plenum des EU-Parlaments zurückgewiesen, nachdem sich schon der Ausschuss dagegen entschieden hatte. Weidenholzer erinnert sich an nur einen Akt, der nicht verändert wurde: Eine Abstimmung über Visumsbestimmungen für Irland. Ansonsten wird der Entwurf nach dem Zufallsprinzip einer Fraktion zugewiesen, dort wird dann ein/e BerichterstatterIn gesucht. Diese/r hat die Aufgabe, die Bearbeitung des Textes zu koordinieren. SchattenberichterstatterInnen der anderen Fraktionen achten auf die inhaltliche Ausgewogenheit. Er oder sie hat dann den Text vorzustellen und Änderungsvorschläge der anderen einzuarbeiten. Ein Kompromissvorschlag muss gefunden werden, über den im Ausschuss abgestimmt wird. Kommt es zu keiner Einigung, dann werden die Änderungen inhaltlich gebündelt einzeln abgestimmt.
BerichtererstatterInnen und SchattenberichterstatterInnen holen die Meinungen von außen ein, z.B. von Nicht-Regierungsorganisationen, Wirtschaftstreibenden usw. Ein noch neues Instrument der Mitbestimmung wirkt: die Europäische BürgerInnen-Initiative. Weidenholzer erläutert das am Beispiel der geplanten Liberalisierung der Wasserversorgung. Die Idee war, dass immer öffentliche EU-weite Ausschreibungen der Wasserversorgung zu erfolgen haben. Das ursprüngliche Ziel war, die Öffnung dieses Infrastruktur-Bereiches für den Markt, also auch für große Konzerne. Der Widerstand der Abgeordneten war nicht einstimmig. Die daraufhin gestartet Europäische BürgerInnen-Initiative, die erste und sofort mit 1,7 Mio Unterschriften in kürzester Zeit, verhinderte diese Gesetzesvorgabe. Damit eine Europäische BürgerInnen-Initiative von der Kommission behandelt werden muss, braucht es 1 Million Unterschrift innerhalb eines Jahres.
Im Plenum des EU-Parlaments verlaufen die Abstimmungen meist sehr schnell, da die inhaltliche Arbeit bereits in den Ausschüssen passiert ist. Es wird mit Handzeichen abgestimmt und abgezählt. Wie eine Abstimmung ausgeht ist nicht genau vorhersagbar. Denn es gibt keinen Clubzwang. Eine Clubrichtlinie wird zwar abgesprochen – meist halten sich in etwa 80 % daran. Starke regionale bzw. Unterschiede in den einzelnen Ländern sind der Grund.
Großes Interesse zeigten die TeilnehmerInnen des Sozialstammtisches auch am Thema „Frontex“, einer der Arbeitsschwerpunkte Weidenholzers. Hier kommt es zu einer entscheidenden Änderung: Frontex ist nunmehr verpflichtet, Menschen zu retten, wenn ein Boot in Not gerät und dann sicher an Land zu bringen. Das gilt jedoch nicht für nationales Recht, konkret italienisches. Dort kann Hilfeleistung nach wie vor bestraft werden, da dieser Teil der Gesetzgebung nicht unter vergemeinschaftetes Recht fällt. Weidenholzer betont, dass mit dieser Verpflichtung für Frontex, das eigentliche Problem nicht gelöst ist. Hier besteht Handlungsbedarf, so Weidenholzer.
In die laufenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) sind auch die ParlamentarierInnen nicht eingebunden. Noch weiter fortgeschritten ist das Abkommen mit Kanada, wo ebenfalls die Informationen fehlen. Hier müssen alle gemeinsam - ParlamentarierInnen und Zivilgesellschaft – Transparenz einfordern.
Er hofft, dass sich die BürgerInnen der EU – eine halbe Milliarde – mehr für die Arbeit im EU-Parlament interessieren. Für Transparenz ist gesorgt, sie können jederzeit die Arbeit in den Ausschüssen und im Plenum online mitverfolgen. Die EU als Institution ist noch immer in Entwicklung, diese Veränderung muss gestaltet werden. Nicht von wenigen, sondern gemeinsam von den BürgerInnen mit den EntscheidungsträgerInnen. Daher fordert er auf, zur EU-Wahl am 25. Mai zu gehen und zu wählen, so dass eine gute Entwicklung der EU im Interesse der BürgerInnen gesichert werden kann.
Lucia Göbesberger / Sozialreferat
Zum Weiterlesen |
http://europa.eu/about-eu/institutions-bodies/european-parliament/index_de.htm http://www.europarl.europa.eu/portal/de |