Buchpräsentation: STEH AUF UND GEH!
„’Steh auf und geh!’ ist der Versuch, ein Stück pastoraltheologische Zeitgeschichte zu dokumentieren.
Helmut Wagner, der Verleger des Buches betonte in seiner Begrüßung, wie sehr, trotz des vordergründig regionalen Anspruchs, das Buch exemplarisch für die theologische und pastorale Weiterentwicklung nach dem Konzil insgesamt gesehen werden kann. Hans Gruber spannt den Bogen über etwa 50 Jahre und dokumentiert die Entwicklung der Betriebsseelsorge Oberösterreichs in einer Zeit des politischen, wirtschaftlichen und kirchlichen Wandels.
Betriebsseelsorge war und ist einerseits stets grenzüberschreitende Arbeit - politisch, gesellschaftlich, theologisch - und hat andererseits befreiende Arbeit geleistet. Betriebsseelsorge unterstützt die Menschen in der Arbeitswelt, öffnet Augen und Ohren, will „auf die Beine helfen“.
BetriebsseelsorgerInnen unterschiedlicher Generationen kommen im Buch zu Wort und berichten von ihren Ausgangspunkten, über Weiterentwicklungen, Schwierigkeiten und Ausblicke im Rahmen ihrer Tätigkeiten. "Der Hauptteil des Buches besteht aus der Wiedergabe von 19 Interviews, die zwischen September 2011 und Juni 2012 gemacht wurden“, so der Autor, der selbst Jahrzehnte in der Betriebsseelsorge tätig war.
Bei der Vorstellung seines neuen Buches vertrat Gruber die These, dass sich die Entstehung einer neuen „Theologie der Arbeit“ drei Voraussetzungen verdankt: die politischen Aufbrüche der 1960er-Jahre (Ende des Kalten Kriegs), die wirtschaftliche Hochkonjunktur und die Aufbruchsstimmung in der Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil. Junge engagierte Priester atmeten diesen neuen Geist ein und fühlten sich ermutigt, die theologischen Grenzen, aber auch die Grenzen einseitiger parteipolitischer Zurechnung der Kirche zu sprengen.
Vier Statements spannen den Bogen
Einzelne Interview-PartnerInnen Grubers aus dem Buch kamen bei der Veranstaltung zu Wort: Josef Mayr steht für die Anfänge und erinnerte an Bischof Franz Zauner und seine Aufbruchsstimmung nach dem Konzil, weiters an die oberösterreichischen Pioniere der Arbeiterseelsorge: Josef Holzmann, Johann Innerlohinger, Walter Suk, aber auch an die Seelsorgeamtsleiter Franz Vieböck und Josef Wiener. Er betonte die Wichtigkeit der ’Einheit in der Vielheit’ und die befruchtenden Auswirkungen der Betriebsseelsorge auf andere Bereiche der Diözese. Das Buch dokumentiere eine Ausrichtung, die sich als Leitfaden für den weiteren Weg und für die Herausforderungen der Zukunft eigne.
Hubert Gratzer machte klar, dass das Zusprechen von Wert und Würde von den Zeiten Cardijns an bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Der Wandel in der Arbeitswelt, das Auseinanderdriften der Gesellschaft verändert zwar die Umstände, jedoch nicht den Auftrag der Betriebsseelsorge. Nach wie vor, ist es notwendig, an der Seite der Menschen, Schritt für Schritt und auf Augenhöhe mit ihnen zu gehen, sie zu stützen im Glauben, dass diese Welt gestaltbar ist.
Anna Wall-Strasser und Monika Raschhofer berichteten vom Hereinkommen der feministischen Theologie und von den Anfängen und Entwicklungen weiblich geprägten Engagements in der ArbeiterInnenseelsorge. Als erste Theologin bzw. erste Zentrumsleiterin markierten sie Wendepunkte. In allen Betriebsseelsorgezentren entwickelte sich eine eigenständige Frauenarbeit mit neuen Wegen und speziellen Ansätzen. Arbeitnehmerinnen in ihren Subjekt-Sein zu stärken ist Ziel der schichtspezifischen und emanzipatorischen Bildungsarbeit seit den Anfängen mit Maria Madlender und Grete Starzer bis heute: „Frauen stehen auf und gehen, das ist nicht Geschichte, sondern gelebte Gegenwart“, betonte Wall-Strasser.
Viele Brücken gebaut
Bischof em. Maximilian Aichern führte in seiner Schlussworten aus, dass die oberösterreichische Kirche vergleichsweise früh Brücken zur Sozialdemokratie und zur Arbeitswelt schlagen konnte. Er erzählte, wie es ihm in den ersten Jahren immer wieder gelang, im Rahmen von Besuchen von Großbetrieben die Errichtung von Seelsorgezentren anzuregen und bedankte sich für das Engagement von Katholischer ArbeitnehmerInnen Bewegung und Betriebsseelsorge für soziale und gesellschaftliche Fragen in Oberösterreich und bei Hans Gruber für dieses Buch.
Die ZuhörerInnen erlebten einen spannenden Abend voll dichter Reflexionen aus 50 Jahren ArbeitnehmerInnen- und Betriebsseelsorge.
Hans Gruber: Steh auf und geh! Theologie der Befreiung in der Betriebsseelsorge Oberösterreichs: Wagner Verlag, 2013, 276 S., s/w und farbig bebildert, 24,00 Euro, ISBN: 978-3902330-89-5