Im Würgegriff der Freihandelsabkommen
Dr. Mabanza von der kirchlichen Arbeitsstelle für das südliche Afrika in Heidelberg brachte uns die Auswirkungen der Freihandelsabkommen der EU mit Afrika beim Vortrag zu schmerzlicher Erkenntnis.
Schmerzlich, da die unrühmliche kolonialistische Vergangenheit der europäischen Länder immer noch einen großen Einfluss auf das Denken und politische Handeln von heute ausüben. Schmerzlich aber auch, da die Handelsabkommen unter dem Vorwand der Entwicklungsförderung vorangetrieben werden und genau das Gegenteil – die Behinderung von volkswirtschaftlichen Entwicklungen – bewirken und die Menschen in die Armut und zur Flucht treiben.
Drei den Weg bereitende Phasen
Die Aufbereitung der Freihandelsabkommen bis zum heutigen Tag erfolgte in drei Phasen:
Mit der Neoliberalisierung der Wirtschaft durch Thatcher wurden in den 1980er Jahren, als Reaktion auf die Wirtschaftskrise, Strukturanpassungsprogramme für die Länder Afrikas überlegt. Es galt dem Rohstoffpreisverfall entgegen zu wirken und die Exportproduktion auf den westlichen Markt auszurichten. Die heimische Landwirtschaft wurde auf Exportprodukte wie Schnittblumen, Kakao, Bananen, Sojabohnen reduziert. Die Infrastruktur für alle Länder nach europäischen Maßstäben ausgebaut. Großprojekte, wie Staudämme, die Privatisierung von Staatsbetrieben führten in der Folge zu negativen Bilanzen der sozialen und ökologischen Indikatoren der Länder. Dinge zu produzieren, die nicht im Land konsumiert werden, war und ist der imperialistische Gedanke, der dem Freihandel zu Grunde liegt.
Mit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1995 begann die zweite Liberalisierungsphase. Nun sollten alle Handelshemmnisse abgebaut werden, vor allem Güterzölle, die in vielen Ländern einen beträchtlichen Anteil am Staatsbudget ausmachen. 60 – 70 % der Bevölkerung leben vom direkten Zugang zu agrarischen Ressourcen. Niedrige Zölle wirken sich daher fatal auf die einfache Bevölkerung aus.
Die Vereinbarkeit mit Regeln der Welthandelsabkommen war dann ab 2002 Ziel des dritten Schrittes zur Durchsetzung der EPA, das auch neben Afrika Handelsabkommen mit den karibischen und pazifischen Staaten umfasst. Etwa 90 Prozent aller Waren sollen zollfrei in die EU exportiert werden. Bis 2007 hätten in den sechs Verhandlungsgruppen mit insgesamt 78 Ländern die Freihandelsverträge ratifiziert werden sollen.
Kern der EPA Liberalisierung ist der progressive Abbau der Zölle in den nächsten 15 Jahren. Um den Verlust zu kompensieren, wird ein Entwicklungsfonds errichtet, der aber den jährlichen Verlust, den beispielsweise Ghana erleidet, nur zu einem Fünftel abdeckt.
Die Verhandlungsthemen wie Marktzugang, Landwirtschaft, Dienstleistungen, Industriegüter, öffentliches Beschaffungswesen, Wettbewerb, Ursprungsregeln, geistiges Eigentum treffen auf großen Widerstand. Einzelne Länder haben bis heute noch kein Abkommen ratifiziert z. B. Nigeria als größte Volksgemeinschaft in der Verhandlungsgruppe Westafrika und Kamerun in Ostafrika. Kenia wurde stark unter Druck gesetzt und parafierte das Abkommen 2014.
Ost- und Südafrika unterzeichneten ein Interimsabkommen 2009. Die pazifischen Staaten verweigerten ein Vertragsabkommen bis auf Fidschi, was die Europäische Union trotzdem als Ratifikationsabkommen für den Pazifischen Raum wertet. Die 7 Länder der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft SADC werden im August 2016 unterzeichnen. Die EU setzt alle Mittel, wie die Inkraftsetzung einer provisorischen Anwendung ein, um die Ratifizierung durch die Parlamente bzw. Regierungen zu erzwingen.
Widerstand unterstützen
Der Widerstand hat bisher eine Verschleppung der Verhandlungen erreicht und soll unter allen Umständen auch von Europäischer Seite unterstützt werden.
Wie der Verhandlungspartner EU in Afrika, im Pazifik- und Karibikraum agitiert, eröffnet uns auch seine Dimension in den TTIP und CETA Verhandlungen. Wir sind dringend aufgerufen, den Widerstand zu unterstützen und angesichts der aktuellen Flüchtlingsdramatik die Politiker dieser Europäische Union auf den zerstörerischen Einfluss der Freihandelsabkommen als eine der hauptsächlichen Fluchtursachen deutlich hinzuweisen.
Margit Savernik / SF-Aktuell
Der Abend war eine Kooperationsveranstaltung von Solidarwerkstatt, attac, Südwind, Welthaus, KAB OÖ u. a.