Würde und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt
Etwa 130 Personen folgten der Einladung von Bischöflicher Arbeitslosenstiftung, mensch & arbeit und Volkshochschule Linz und thematisierten gemeinsam mit den Referenten Dr. Walter Ötsch und Dr. Friedhelm Hengsbach SJ Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten von (Erwerbs-)Arbeit. In Workshops wurden Visionen zusammengetragen und anschließend in einem Podiumsdialog drei VertreterInnen der Landespolitik nahe gebracht.
Arbeitsbegriff
Der Ökonom und Kulturhistoriker Dr. Walter Ötsch legte in seinem Referat dar, wie sich das Verständnis der Kategorie „Arbeit“ im Laufe der Zeit änderte. (Körperliche) Arbeit war in der Antike verpönt, erst das Christentum brachte den Aspekt von Arbeit als Schöpfung herein. Im Mittelalter kam es zu einer Aufspaltung des Verständnisses in a) Arbeit als Auftrag und Mitschöpfertum einerseits und in b) Last und Sündenfall-Strafe andererseits. Erst in der Neuzeit koppelt sich „Arbeit“ mit „Zeit“. Produktive Arbeit wird als Grundlage und Kern der Wirtschaft definiert (Adam Smith). Allmählich verlagerte sich die Reflexion über Arbeit hin zu deren Verteilung, zur Eigentumsdiskussion (Karl Marx) und schließlich zu Konzepten, in denen „Arbeit“ keine Rolle mehr spielt. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts (F. Hayek) wird „der Markt“ zum agierenden Subjekt hochstilisiert und der einzelne Mensch abgewertet. Trotz Wirtschafts- und Währungskrisen der Nullerjahre zählt nur „der Markt“ und die Politik hat sich diesem „Markt“ untergeordnet – Stichwort: marktkonforme Demokratie (Angela Merkel)!
„Anschlussfähige“ Veränderungen vorantreiben
Der Sozialethiker Dr. Friedhelm Hengsbach stuft in seinem Referat die positive Wirtschaftssicht als Mythos ein. Die schöne Rede von Industrie 4.0, Wissensgesellschaft, Generation Y, Wachstum im tertiären Bereich, Schwelle zum Zeitalter des Arbeitsvermögens usw. blendet die realen Verhältnisse aus. Soziale Ungleichheit nimmt zu, Realwirtschaft ist von der Finanzwirtschaft völlig abgekoppelt, zielloses destruktives Wachstum führt zu Gesundheits- und Umweltschäden und imperiale Ökonomie zu militärischen Konflikten. Allein die Steigerung des Geldvermögens zählt, nicht der Mensch (weder als Kunde noch als Arbeitskraft). „Diese Wirtschaft tötet!“, bringt es Papst Frankziskus in seiner Enzyklika EVANGELII GAUDIUM auf den Punkt.
Dr. Hengsbach stellt diesem kranken System die Notwendigkeit zu einer fairen Verteilung der gemeinsamen Wertschöpfung, zur Begrenzung und zur Balance gegenüber. Ausgehend vom Ist-Stand gehören Fehlentwicklungen und Schieflagen entschärft bzw. Gerechtigkeit vorangetrieben. Bezugspunkt für diese Gerechtigkeit ist dabei allein das Recht eines jeden/einer jeden, als gleichwertiges Subjekt behandelt zu werden. Er betont: „Würde hat allein der Mensch – unabhängig davon, ob er arbeitet oder nicht. Erwerbsarbeit hat keine Würde.“ Nur der Mensch trägt diese Kategorie in die Arbeitswelt hinein.
Menschengerechte Lebens- und Arbeitswelt
In fünf Workshops diskutierten anschließend die TeilnehmerInnen über ihre Vorstellungen einer zukünftigen Arbeitswelt und den Weg dorthin. Viel Veränderungspotential wurde sichtbar und eine große Rolle spielte die Frage der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, von Arbeitszeit, von Ressourcen und Chancen: Gesellschaftlich notwendige Arbeit neu bewerten und organisieren, Steuern umverteilen, das Menschenbild ändern, Wettbewerb- und Defizitorientierung aufbrechen, Arbeit und Einkommen entkoppeln, …
Die Referenten Dr. Ötsch und Dr. Hengsbach nahmen gemeinsam mit LH Stv. Reinhold Entholzer (SPÖ), L.-Abg. Alfred Frauscher (ÖVP)und L-Abg. Ulrike Schwarz (Grüne) am Podium zu den Workshop-Beiträgen Stellung. Einigkeit herrschte in der Ansicht, dass das Primat der Politik über die Wirtschaft notwendig ist. Politik setzt um, was gesellschaftlicher Konsens ist. Wer Veränderungen will, braucht daher den gesellschaftspolitischen Diskurs und entsprechende Mehrheiten.
Um „Würde und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt“ zu verankern, ist es nötig, das vorherrschende neoliberale Denken aufzubrechen, Deregulierung und Post-Demokratie zurückzudrängen, kleinteilige Wirtschaftsstrukturen zu fördern, Beteiligung zu ermöglichen und den Menschen als Menschen wieder ernst zu nehmen.
Die Referenten betonten zum Abschluss: Im Kleinen wie im Großen sind derzeit schon Lernprozesse beobachtbar – bei politischen Entscheidungsträgern, in der Rechtsprechung, auf zivilgesellschaftlicher und europäischer Ebene. Im Diskurs beispielsweise zur Verteilungsdebatte und zu Steueroasen ist ein Stimmungswechsel bemerkbar.
Das gibt Hoffnung. (Selbst)Reflexion, Diskussion und Veranstaltungen wie diese geben immer wieder einen Anstoß, die Welt Richtung mehr Gerechtigkeit und „gute Arbeit – gutes Leben“ zu verändern. Bleiben wir dran!
(ez)