(K)EIN SPAZIERGANG – gemeinsam unterwegs beim Care-Rundgang in Linz
Wirtschaft bedeutet (der Eigendefinition entsprechend) Abdeckung vorhandenen Bedürfnisse. Somit wäre Wirtschaft nichts anderes als Care-Arbeit, das sich Sorgen und Kümmern um die Bedürfnisse von Menschen. Doch in der Realität steht Care keineswegs im Zentrum von Wirtschaft! Diese Schieflage aufzuzeigen und ihr mit konkreten Forderungen zu begegnen, war ein Ziel dieses Rundgangs. Die viele Sorge- und Fürsorgearbeit, geleistet vor allem von Frauen, sichtbar zu machen und wertzuschätzen, war ein weiteres Ziel. Daher fand die Veranstaltung auch in der Woche des Internationalen Frauentags, des 8. März statt.
Der Stadtrundgang, basierend auf einem Projekt von "Wirtschaft-ist-Care", begann am Domplatz. Die Inhalte der einzelnen Stationen wurden von Iris Jilka, kfb oö, Elisabeth Zarzer, KAB OÖ und Martha Stollmayer, Treffpunkt mensch & arbeit Linz-Mitte aufbereitet und präsentiert.
Bei der Einführung ins Thema ging es um einen Überblick über bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit und die Ungleichverteilung zulasten von Frauen. Der Naturraum und unsere Sorge und Verantwortung ihm gegenüber standen im Fokus der ersten Station. Durch eine weiße Bohne, die sich die Teilnehmerinnen aus einer Box nehmen konnten, symbolisierten sie dabei, ob und in welcher Form sie sich für Naturräume, ihre Erhaltung bzw. nachhaltige Bewirtschaftung engagieren. Als eine erste und grundlegende Forderung des Rundgangs wurde "CARE-ARBEIT aufwerten und fair bezahlen" gewählt, die öffentlich sichtbar mitgetragen wurde – wie alle anderen Forderungstafeln dann auch.
Für die zweite Station ging die Gruppe weiter in die Baumbachstraße, sie stand unter dem Stichwort Schule. Wie sehr in Österreich noch immer "Bildungsvererbung" zu finden ist, zeigt sich u. a. daran, dass – im Vergleich zu einem Kind aus einer Arbeiterfamilie – ein Akademikerkind dreimal so häufig ein Studium beginnt. Eine auf Care hin ausgerichtete Bildung blickt nicht nur auf Ausbildung, Leistung und Rentabilität, sondern auf die Menschen, ihre Bedürfnisse und auf die Herausforderungen der Zukunft. Was müssen Kinder wirklich lernen, um als Erwachsene für Mensch & Welt gut sorgen zu können?
Neben der weißen Bohne als Symbol für die notwendige begleitende Care-Arbeit für ein Schulkind, kamen ab nun auch rote Bohnen zum Einsatz. Sie standen für die Tatsache, dass dieses Sich-Kümmern sich finanziell negativ für die Teilnehmerin (z. B. durch Reduktion der Erwerbsarbeit) auswirkte. "Chancengleichheit bei Bildung" war die Forderung dieses Station.
Als Nächstes ging es in die Steingasse, wo Kinderbetreuungseinrichtungen im Fokus standen. Wie bereits bei den Schulen zeigte sich, dass die Entscheidung für eine private oder öffentliche Einrichtung oft eine Frage der Finanzierbarkeit ist. Drei Blickwinkel kamen zur Sprache: Welche Bedingungen, welche Qualität brauchen Kinder, Pädagoginnen und Mütter von diesem ersten und wichtigen Grundbaustein im Bildungssystem? Neben einer Verbesserung der Arbeits- und Lohnbedingungen der Elementarpädagoginnen ist eine wesentliche Forderung: "Bedarfsgerechte Kinderbetreuung mit Herzensbildung".
Auf die Landstraße und zu einer Bankfiliale führte uns die nächste Station. Geld, seine Funktion als Tauschmittel, als (inzwischen auch virtuelles) Spekulationsobjekt und dessen ungerechter Verteilung wurde hier thematisiert und ein Umdenken gefordert. "Steuersystem ändern! Maschinen und Finanztransaktionen besteuern!" stand somit als logische Forderung auf dem Schild.
Betreuung im Alter war das nächste Thema, das in der Bethlehemstraße zur Sprache kam. Wer kümmert sich wo, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen um alte Menschen? Dabei zeigte sich: Die Angehörigenpflege ist der bei weitem größte "Pflegedienst der Nation", ohne diese unbezahlte Tätigkeit (zu Dreiviertel von Frauen geleistet) ginge es nicht! Damit ein Altern in Würde möglich ist, muss diese "heiße Kartoffel" endlich angegangen werden. Ein notwendiger Schritt dazu von vielen, die anstehen: "Pflegegeld anpassen an den realen Bedarf"!
Arbeit wurde beim nächsten Halt in der Bismarckstraße aufgegriffen. Auch Lebensmittelerzeugung, wie bei dieser Station, ist eine Form von Sorgearbeit. Doch wieviel bezahlter Erwerbsarbeit jemand nachgehen kann, ist eng verknüpft mit der Frage der auch zu erledigenden unbezahlten Care-Arbeit. Somit wenig überraschend: In Oberösterreich arbeiten fast 50 % der erwerbstätigen Frauen in Teilzeit. Damit eine Stunde Arbeit, egal welcher Art, gleich viel zählt, dafür steht die Forderung dieser Station: "Förderung von Tauschbörsen und Reparaturcafés".
In der Seilerstätte fand der nächste Input zum Thema Gesundheitswesen statt. Trotz guter Gesundheitsversorgung in Österreich und einem hohen Durchschnitt von 7,6 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner, ist auch Knappheit zu beobachten: Überlastung des Gesundheitspersonals und Ausdünnung der (regionalen) medizinischen Versorgung. Oft bleibt bei dringenden gesundheitlichen Problemen nur der Weg zu einem Wahlarzt. Der Fokus dieser Station liegt daher auf der Lebenswichtigkeit einer guten und für alle gleichen Zugänglichkeit: "Eine Kasse mit gleichen Leistungen für alle!"
Mit der achten und letzten Station führte der Rundgang wieder zurück zum Domplatz. Gemeinschaft erleben war das Thema. Eine Gesellschaft braucht Orte des Zusammenkommens und der Kommunikation. Neben den kommerziellen und durchaus wichtigen Gast- und Kaffeehäusern sind dies vielerorts auch Pfarrheime, Vereinslokale etc., wo Ehrenamtliche sich engagieren, damit Menschen miteinander ins Gespräch kommen können, Netzwerke entstehen, Kultur und Bildung angeboten werden kann. Die Forderung an Kirche wie Staat lautet daher: "Begegnungsräume zur Verfügung stellen!"
Die Teilnehmerinnen des Rundgangs konnten die Wichtigkeit eines solch "umsorgenden Angebots" zum Abschluss des intensiven und auch nasskalten Rundgangs gleich faktisch erleben, fand diese letzte Station doch in genau solchen Räumlichkeiten statt. Die Wärme, die Infrastruktur, Getränke und etwas Essbares waren sehr willkommen!
Alle von den Teilnehmerinnen gesammelten weißen und roten Bohnen kamen noch zusammen in ein großes Glas und verdeutlichten, wie viel Care-Arbeit von den Frauen im Laufe ihres Lebens bereits geleistet wurde – ein enormer, auch wirtschaftlich unverzichtbarer Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft, der gesehen, gewürdigt und wertgeschätzt gehört. Bei allen anderen und auch bei uns selbst!
In einem Handout wurden noch weiterführende Informationen zum Thema und Hinweise auf Newsletter (z.B. hier ein Beitrag zu Bildungsvererbung) sowie Informationen bezüglich Durchführung regionaler Rundgänge mitgegeben.
(elza)