Sozialstammtisch zum Thema FRIEDEN
Seit fast einem Jahr führt die Russische Föderation einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dabei sind bisher schon 250.000 Menschen, Zivilpersonen wie Soldat:innen, ums Leben gekommen, Millionen sind aus der Ukraine geflüchtet, die Zerstörung von Infrastruktur und Umwelt ist kaum fassbar. Im Moment gibt es kaum Anzeichen, dass der Krieg in näherer Zukunft ein Ende finden wird, weil alle Beteiligten inzwischen in einer „Logik des Krieges“ gefangen zu sein scheinen.
Pete Hämmerle, Mitarbeiter des Internationalen Versöhnungsbundes, erläuterte zu Beginn grundlegend die Hintergründe von Konflikten. Der Experte für Gewaltfreiheit, Pazifismus und aktive Friedenspolitik betonte beim 157. Offenen Sozialstammtisch am 15. Februar 2023 in Linz, dass für Auseinandersetzungen der Deutungsrahmen entscheidend ist: Folgen die Konfliktparteien einer Kriegs- oder einer Friedenslogik? Hämmerle legte dar, dass die Ursache für eine Eskalation bereits darin liegt, wie das Problem gesehen wird. Wird das Problem als Bedrohung wahrgenommen, führt das zu einer Abwehr- bzw. Verteidigungshaltung. Aus der Perspektive der Friedenslogik wird überlegt, wie kann ich die Gefahr verhindern, welche Präventionsmaßnahmen gibt es bzw. wie kann sie abgebaut werden. So können auch die vier weiteren Fragen reflektiert werden, wodurch das Problem entstanden ist, wie es bearbeitet wird, wodurch das eigene Handeln gerechtfertigt wird, wie auf Scheitern und Misserfolg reagiert wird.
Konkrete Exkalationsstufen
Nach den Grundlagen zum kriegslogischen bzw. friedenslogischen Denken benannte Hämmerle die Eskalationsschritte des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine anhand dafür wesentlicher historischer Ereignisse der letzten 30 Jahre; beginnend mit den Veränderungen der Sowjetunion und in den anderen Warschauer-Pakt-Staaten in der Zeit von 1985 bis 1991, die nicht nur geopolitischen Machverlust zur Folge hatte, sondern sich auch wirtschaftlich negativ auswirkte. Weiters dem Tschetschenien-Krieg in den 90er Jahren, der mit Gewalt beendet wurde und der im Jahr 1999 beginnenden NATO-Osterweiterung mit Polen, Tschechen und Ungarn; dem Regimewechsel weg vom Postkolonialismus 2004 in der Ukraine (Orange Revolution), sowie den weiteren politischen Veränderungen durch den Euromaidan 2013 bis 2014 und die Annexion der Krim 2014 seien hier nur exemplarisch genannt.
Es gab immer wieder Möglichkeiten bei den genannten historischen Ereignissen, die eine Eskalation hätten verhindern können. Hervorgehoben seien die vielen Methoden des gewaltfreien Widerstands, die angewendet wurden. Laut Umfragen haben Ukrainer:innen mehr Vertrauen in zivilen Widerstand wie in gewaltsamen. Diese Zahl hat sich sicher zwar durch den Krieg verschoben, aber noch immer bevorzugen viele die Gewaltfreiheit.
Positiv ist, dass es immer wieder Gespräche zwischen Russland und der Ukraine über verschiedene Aspekte gibt, wie zum Beispiel den Getreidedeal, Gefangenenaustausch oder auf lokaler Ebene über humanitäre Korridore. Allerdings besteht die Gefahr einer weiteren Ausweitung und auch des Einsatzes von Nuklearwaffen, so Hämmerle.
Letztlich geht es bei Krieg immer darum, eigene Interesse durchzusetzen zu einem hohen Preis des Leids der Betroffenen auf beiden Seiten.
Wichtig ist, dass ein Friede auf einer zukunftsfähigen Grundlage entsteht, aber das ist noch nicht absehbar.
Was wir bis dahin tun können, ist Leid zu mindern, z.B. durch die Aufnahme von Geflüchteten.
Lucia Göbesberger
Der Offene Sozialstammtisch ist eine Kooperationsveranstaltung von Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung, Bischöfliche Arbeitslosenstiftung, Treffpunkt mensch & arbeit Linz-Mitte, Cardijn Haus Linz, Sozialreferat der Diözese Linz, ÖGB-OÖ Bereich Bildung und Zukunftsfragen und gefördert von der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung.