KABÖ Frauen-Studientag 2023 in Linz
Am Nachmittag wurden die Inputs in fünf Workshop-Gruppen unter je einem spezifischen Blickwinkel analysiert und mögliche Handlungsschritte durchdacht. Mit einem spirituellen Impuls in der Kapelle endete dieser stärkende Tag.
(Wieder) zu-recht-rücken
Zahlreiche Fakten und Zusammenhänge, die medial wenig bis gar nicht präsent sind, brachte Barbara Blaha in ihrem Vortrag zu Sprache. Sie machte darauf aufmerksam, wieviel Framing bzw. interessensgesteuerte (Nicht)Information durch Wirtschaft und Politik geschieht. Wenn das Wissen um Alternativen zu einer gerechteren Gestaltung von Gesellschaft nicht präsent ist, prägt das die Ansichten der Menschen. Ein Beispiel: Nach kurzem Corona-Hype ist es in den Medien wieder still geworden um die Gruppen der Systemerhalter:innen, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen inklusive. Wir sehen den Pflegekräftemangel, in Österreich kommen auf 1.000 Personen 16 Pflegekräfte. Doch dass andere Staaten, z. B. Norwegen, bereits seit 30 Jahren gezielt dieses Berufsfeld politisch aktiv gestalten und daher ein Verhältnis vom 35,5 zu 1000 haben, zeigt, dass Pflegekräftemangel kein „Schicksal“ ist. Ein anderes Beispiel ist die Teuerungsbekämpfung. In Österreich kosten die Preissteigerungen dem ärmsten Zehntel der Bevölkerung mehr als ein durchschnittliches Monatseinkommen. Auch hier gibt es alternative Beispiele: Frankreich und Spanien haben bereits frühzeitig und zielgerichtet reagiert und dort steht die Inflation bei 6,7 bzw. 5,5 % im Gegensatz zu Österreichs 10,5 % im Dezember 2022.
Klar brachte die Referentin den Zusammenhang von Erwerbsarbeit und unbezahlter Arbeit und der daraus entstehenden Schieflage zu Lasten der Frauen zur Sprache. So ist etwa außerhalb Wiens nur jeder vierte Kindertagesplatz Vollzeitarbeit tauglich. Das hat große Auswirkungen auf die Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen, daher ist in Oberösterreich mit seinen unzureichenden Öffnungszeiten auch der Gender Pay Gap besonders hoch. Weiters hatte die Referentin für die Teilnehmerinnen Fakten rund um Emissionen, Klimaerwärmung und Vermögensverteilung parat, um Mainstream-Wahrnehmungen zu_recht_zu_rücken.
Gerechtigkeitsempfinden fördern statt Neiddebatte führen
Barbara Blaha plädierte für einen starken Sozialstaat und eine Politik, die sich nicht scheut, Wirtschaft so zu gestalten, dass Leben ohne Armut möglich ist. Wenn das Verhältnis vom Durchschnittsvermögen zum Spitzenwert 1:29.000 beträgt, hat Österreich eindeutig ein Problem mit der Vermögensverteilung. Das schadet langfristig allen! Genauso wie es eine Armutsgrenze gibt, wäre auch eine „Reichtumsgrenze“ zu definieren und mit entsprechender Steuer-Gestaltung dringend die Schere zwischen Arm und Reich wieder mehr zu schließen.
„Wir sind viele, wir ‚Durchschnittsbürger:innen‘ sind die politische Mehrheit, daher können auch wir politische Veränderungen vorantreiben“, ermuntert die Referent zur Aktivität.
Vergiss nicht, dass wir viele sind!
Aus der spezifischen Sicht von Frauen, Jugend und Arbeitnehmer:innen und hinsichtlich der Rolle von politischen Playern und kirchlichen Organisationen diskutierten die Studientagteilnehmerinnen in fünf Gruppen am Nachmittag das Gehörte. Ausgefaltet nach Wahrnehmungen/Erfahrungen, Analyse und sich daraus ergebende nächste Schritte konnten sich Alle wichtige Erkenntnisse mitnehmen – eine davon: Zukunftsfähige Alternativen entwickeln und umsetzen geht uns alle an!
Blitzlichter aus den Ergebnispräsentationen:
- Probleme als strukturelle Probleme wahrnehmen
- Kenntnis der verschiedenen politischen/institutionellen Ebenen und Einwirkungsmöglichkeiten
- Selber aktiv werden
- Verbündete suchen
- Eigenes Wissen pflegen, Informationsquellen prüfen, Dinge klar beim Namen nennen
- Wissensvermittlung dort, wo wir sind (berufliches, privates, ehrenamtliches Umfeld) – immer wieder!
- Emails und Leserbriefe schreiben
- Politische Förderung systemrelevanter Berufe fordern
- Verpflichtende Väterkarenz fordern
- Aufwertung der Lehre fordern
- Visionen, Solidarität, Gemeinschaft, gegenseitige Unterstützung und sichtbare Frauenvorbilder bringen uns weiter
Die Nachmittagsgruppen leiteten Iris Jilka, Renate Moser, Gabriele Kienesberger, Waltraud Menghin und Lydia Seemayer. Die Vorbereitung und Durchführung des Studientags 2023 lag bei Elisabeth Zarzer, die den Tag auch moderierte, und dem diözesanen Frauenarbeitskreis.
2024 wird dieser KAB Ö-Frauen-Studientag voraussichtlich von der KAB Wien veranstaltet werden.
(elza)