Migration in Europa
VertreterInnen aus 15 europäischen Ländern nahmen daran teil. Die Vielfalt der unterschiedlichen Situationen in den verschiedenen Bewegungen wurde durch den freundschaftlichen Umgang und den Willen, gemeinsam etwas zu erreichen, übertroffen.
Spanien einmal anders.
Sehr interessant war das Kennenlernen der spanischen Lebensrealität.
Die jüngere Geschichte in Spanien ist der in Österreich sehr ähnlich. Nach dem Bürgerkrieg in den 30er-Jahren gab es eine tiefe Feindschaft zwischen der Arbeiterschaft und der Kirche.
HOAC-AktivistInnen engagieren sich in politischen Parteien, Gewerkschaften, verschiedensten Organisationen (NGO’s) und in „Nachbarschaftsvereinen“ (Vorstadtarbeit). Die HOAC gibt es in allen 44 spanischen Diözesen und sie ist bei sehr vielen Institutionen und BürgerInnen anerkannt. Inhaltlich konzentrieren sie sich auf 3 Lebenssituationen von ArbeiterInnen:
• Die steigende Unsicherheit (tlw. katastrophale Arbeitsmarktsituationen, hohe Arbeitslosigkeit, hohe Mobilität wird verlangt),
• Armut – laut einer Studie leben viele unter der Armutsgrenze und
• Familie (Eltern sehen sich wegen der hohen Flexibilität immer weniger).
Zwei Schwerpunkte der HOAC sind die Migration und die Frauenbeschäftigung. Der Apostolische Rat – VertreterInnen der ArbeiterInnenpastoral aus allen Diözesen Spaniens – genießt großes Vertrauen der spanischen Bischofskonferenz. (…) ArbeiterInnenpastoral wird nicht als „Fachrichtung“ gesehen, sondern soll die ganze Kirche beschäftigen. Die HOAC fordert, dass Arbeit dem Wohl der ArbeiterInnen dienen muss. Immer mehr Menschen haben keinen Arbeitsvertrag mehr und sind gezwungen auf der Straße zu leben.
Migration
Esteban Tabares, ein in einer MigrantInnenorganisation arbeitender Priester war der Referent für das Thema Migration. Einleitend stellte er die demografische Entwicklung der Weltbevölkerung laut einem UN-Bericht dar. Demnach gibt es vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika ein rasantes Bevölkerungswachstum. Bei einer Zunahme von jährlich 77 Millionen Menschen entfallen rund 50 Prozent auf 6 Länder (Indien, China, Pakistan, Nigeria, Bangladesch und Indonesien). Im Jahre 2050 werden wir weltweit eine Bevölkerungszahl von rund 8 Milliarden Menschen haben, davon werden aber nur 7 % in Europa leben. (Im Jahr 1900 gab es 3mal so viele Europäer als Afrikaner, im Jahr 2050 ist das Verhältnis umgekehrt.) Die Bevölkerungszahl in Europa wird in einem Zeitraum von 1995 bis 2050 um 41 Millionen durch den Geburtenrückgang schrumpfen. Die zunehmende Alterung in Europa hat schon heute Folgen für die Renten- und Gesundheitssysteme, für die Steuersysteme und die Sozialkassen. Europa braucht Zuwanderung aus humanitären Gründen und auch aus demografischen Gründen. Migration wird das Demografieproblem in Europa nicht lösen, kann es aber verlangsamen.
Migration ist keine unbedeutende Randerscheinung. Es geht inzwischen um richtige Bevölkerungsströme, um eine Verschiebung der Weltbevölkerung. Über 80 % der Migration findet zwischen den armen Regionen statt. Nur ein kleiner Teil schafft es in den reichen Norden. Dieser kleine Teil ist Entwicklungsträger im Norden und im Süden. Sie tragen durch Geldsendungen in den Süden dreimal mehr zur Entwicklung des Südens bei als die Entwicklungshilfe!
Eine Hauptursache sieht Tabares in einer verfehlten Wirtschaftspolitik der Weltorganisationen (WTO, Weltbank, IWF und G8). Der Neoliberale Wirtschaftskurs schafft keine Steigerung des globalen Reichtums, sondern unterstützt die Verarmung und beschleunigt das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich weltweit. Das Kapital unterwirft die Politik – der Irakkrieg ist ein klares Zeichen dafür, wie Konzerne Staaten unterwerfen. Die neoliberalen Regeln der genannten Organisationen erzeugen ungleiche Handelsbeziehungen, beuten Ressourcen aus und zerstören lokale Strukturen. Wer in so einer Region lebt, hat keine Wahl und muss auswandern. Auf den Punkt gebracht: „Wenn das Geld nicht zu den Menschen geht, gehen die Menschen zum Geld.“
In den Nachkriegsjahrzehnten wurden Gastarbeiter nach Westeuropa geholt. Der Name kam daher, weil man dachte, die Menschen helfen uns beim Wiederaufbau und gehen dann wieder heim (sind zu Gast). Daher wurden auch keine Sozialgesetze für Gastarbeiter entwickelt. Sie sind aber geblieben. Der Unterschied zur heutigen Migration ist, dass die Menschen nicht kommen um zu arbeiten, sondern um Arbeit zu suchen (mangels Perspektive in der Heimat).
Migrantinnen und Migranten sind nach unserem christlichen Verständnis unsere Schwestern und Brüder. Gott aus ganzem Herzen lieben heißt, den Nächsten lieben, wie sich selbst. MigrantenInnen aufnehmen heißt, Gott in unsere Mitte aufnehmen. Insofern gibt es für ChristInnen keine AusländerInnen. Das Evangelium der Nächsten- und Fremdenliebe (Mt 22, 34 – 40) fordert entschiedene Taten der Solidarität mit Fremden. Die Würde des Menschen ist vor Gott verbürgt. Dieses Verständnis schärft die Sensibilität für das Schicksal der MigrantenInnen, unabhängig von deren religiöser und nationaler Zugehörigkeit sowie ihres Rechtsstatus.
Herausforderungen
Es gibt keine soziale Integrationspolitik – weder in der EU, noch in ihren Mitgliedsstaaten. Das führt zu verstärkten Schwierigkeiten im Zusammenleben. Einfach mehr Geldmittel ist zu wenig. Die Bilder und die politischen Programme müssen sich ändern. Es braucht vielfältige Integrationsmaßnahmen wie z. B. eine EU-Bürgerschaft, die sich nach dem Wohnsitz richtet (nicht nach der Staatsangehörigkeit), volle Zugehörigkeit zur politischen Gemeinschaft, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Jeder Mensch ist von seiner Person und seiner Würde her mit Rechten ausgestattet. Diese Rechte gilt es anzuerkennen, sie können nicht von Staaten oder Regierungen verliehen werden.
Wir müssen Toleranz und Respekt vor der Unterschiedlichkeit der Menschen lernen – vor allem auch im Bereich Religion.
Am Ende der Tagung wurde eine gemeinsame Schlusserklärung verabschiedet, in der auch eine Selbstverpflichtung der Bewegungen der EBCA enthalten ist. Ein Punkt daraus lautet, in Hinblick auf das Thema „Migration“ Sensibilisierungsarbeit zu leisten. Ich hoffe, dass dieser Artikel ein erster Beitrag dazu ist. Die Schlusserklärung kann in den Diözesanbüros der KAB angefordert werden und ist im Anschluss als PDF-Datei zu finden.