Schieflage der Machtverhältnisse
Ausgehend von der Frage nach „guter“ Arbeit, führte er die Zuhörer zur Frage, was „gerechte“ Arbeit sei. Gerechtigkeit habe stets einen bestimmten Kontext und derzeit werde Gerechtigkeit nicht als Gegenentwurf zur Wirklichkeit, sondern als Anpassung an Megatrends gesehen. Das führe zur Vorrangstellung von Marktgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit gegenüber Bedarfsgerechtigkeit und Solidarität.
Gerechtigkeit nur bei Gleichheit der Person
Prof. Hengsbachs vertrat die Ansicht, dass Gerechtigkeit in erster Linie etwas mit Gleichheit zu tun habe. Bezugspunkt für diese Gleichheit in unserer individualisierten Gesellschaft heute kann nur in der Gleichheit aller Menschen zu finden sein. Jede Person verdient gleiche Würde, gleichen Respekt und gleiche Anerkennung. Das drücke sich in einer entsprechenden sozialen Grundsicherung aus. „Mit Gleichheit ist in diesem Zusammenhang gemeint, nicht alle Menschen gleich zu behandeln, sondern als Gleiche,“ präzisiert Prof. Hengsbach
Umstrukturierung statt weitere Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Dass die europäischen Staaten unter dem Druck stehen, ihre sozialen Leistungen auf den Prüfstand zu stellen, den Sozialstaat „umzubauen“ – was nichts anderes heißt als Abbau – kann Prof. Hengsbach nicht nachvollziehen, wenn beispielsweise die Exportbilanz von Deutschland und Österreich hergenommen wird. Etwa 70 % des Exports von Österreich gehen in den europäischen Raum. Daher ist für die Außenhandelsbeziehungen die Niedriglohnpolitik nicht wirklich relevant. Weiters haben alle Länder durch die Globalisierung einen Wohlstandsgewinn. Die Frage ist: „Wie wird dieser Wohlstand verteilt? Zwischen den Ländern und auch innerhalb der jeweiligen Länder?“
Zum demografischen Wandel in unserer Gesellschaft hinsichtlich Überalterung und Rationalisierung stellt er fest, dass es nicht auf Alter oder Anzahl der Beschäftigten ankomme. Wichtig ist erstens die Höhe der Produktivitätssteigerung in der Produktion und in der Dienstleistung. Im Bereich von Bildung, Kultur, Gesundheit und personen-nahen Diensten, z. B. Pflege ist ein steigender Arbeitskräftebedarf festzustellen, eine Produktivitätssteigung nicht möglich, wie im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbereichen wie Telekomunikation, Banken etc. Die Umschichtung von einer Produktions- auf eine Dienstleistungsgesellschaft sollte öffentlich gefördert werden, da es vor allem Aufgabe des Sozialstaates ist, personen-nahe Dienstleistungen wie Bildung, Betreuung und Pflege zu gewährleisten.
Und wichtig ist zweitens, wie die Erträge verteilt werden:
„Abhängig Beschäftigte verdienen den Lohn, den sie auf Grund ihrer hohen Produktivität verdienen“, so Prof. Hengsbach. Vor allem die unteren Einkommensschichten müssen am gemeinsam verdienten Wohlstand Anteil haben.
Fragwürdigkeit der Finanzgeschäfte
In seiner Analyse unserer Gesellschaft stellt Prof. Hengsbach seit den 1970er-Jahren eine „monitäre Revolution“ fest. Auf 12 % aller Waren- und Dienstleistungsgeschäfte kommen 88 % spekulative Finanzgeschäfte. Durch zunehmende Investitionen in Spekulation statt in reale Produktion wird die Schieflage in den Machtverhältnissen weiter gesteigert.
Zwischen jenen wenigen, die Vermögen besitzen und der Mehrheit der anderen, die nur ihre Arbeitskraft haben. Aber auch zwischen jenen, die Erwerbsarbeit leisten, und den anderen in unbezahlten Formen von Arbeit.
60 % aller für das Funktionieren einen Gesellschaft nötigen Arbeiten werden außerhalb der bezahlten Erwerbsarbeit geleistet werden. Eine gerechte Aufteilung auf beide Geschlechter zwischen Erwerbsarbeit, Betreuungsarbeit und zivilgesellschaftlicher Arbeit ist herzustellen. Ermöglicht werden könnte das zum Beispiel durch gerechte Aufteilung der drei Einkommenteile: Transfer-, Arbeits- und Kapital-Einkommen, das gerecht verteilt gehörte. Die derzeitige Praxis, das soziale Sicherungssystem nur an Erwerbsarbeits-Einkommen zu koppelt, sieht Prof. Hengsbach als falsch an. Auch andere Einkommensarten müssen zur Finanzierung herangezogen werden.
„Der Staat hat die Aufgabe, die Schwachen zu stützen.“ spricht er sich für mehr demokratische Solidarität und gegen die gegenwärtige Verteilung von unten nach oben aus.
Der Sozial-Stammtisch ist eine Kooperationsveranstaltung von:
Bischöflicher Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz
Bildungshaus Betriebsseminar
Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung OÖ
ÖGB-OÖ Bereich Bildung und Zukunftsfragen
Sozialreferat der Diözese Linz
Weiterführende Informationen zum Thema:
www.sankt-georgen.de/nbi