Arbeit fair teilen - Die 35-Stunden-Woche in Frankreich und was wir davon lernen können.
Zehn Jahre 35-Stundenwoche in Frankreich
Christian Dufour berichtete über die Geschichte und Gegenwart der Arbeitszeitverkürzung in Frankreich. Seit zehn Jahren gilt in Frankreich die 35-Stundenwoche für alle Betriebe mit mehr als 20 MitarbeiterInnen. Die Löhne wurden dabei nicht anteilsmäßig gekürzt, sondern je nach den konkreten betrieblichen Verhandlungen für 2-3 Jahre eingefroren.
Laut den Studien des IRES wurden durch diese gesetzliche Maßnahme 400.000 Jobs geschaffen. Positive Auswirkungen auf die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen können festgestellt werden. Weiters steigen die beruflichen Chancen teilzeitbeschäftigter Frauen.
Entgegen anderer Aussagen der aktuellen französischen Regierung ist die 35-Stunden-Woche auch heute noch aktuell, gewollt und gelebte Praxis.
Widerstand der Arbeitgebervertretung, großes Interesse der Betriebe
Auch in Frankreich gab es von Seiten der Arbeitgebervertretung Widerstand gegen eine Arbeitszeitverkürzung. Gleichzeitig war jedoch das Interesse der Betriebe groß. Schon auf freiwilliger Basis wurden ab 1998 zehntausende Verhandlungen mit der Gewerkschaft auf betrieblicher Ebene geführt und vielfach erfolgreich abgeschlossen. Vor allem im Bereich der Schichtarbeit erkannten die Unternehmer rasch die Vorteile, die sich aus einer Neuorganisation der Arbeitszeiten im Betrieb auch für sie ergeben: Einerseits steigen zwar die Lohnkosten. Andererseits sind diese oft nur ein kleiner Teil der betrieblichen Ausgaben. Dafür wurde die Arbeitszeitverkürzung mit Flexibilisierungen und Umorganisation der Arbeitszeit verbunden, was sowohl den Betrieben als auch den MitarbeiterInnen Vorteile bringen kann.
Verkürzung und Flexibilisierung
Die Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche ging mit der Einführung einer Durchrechnung auf 1 Jahr einher. Wie die Verteilung der Wochenarbeitszeiten und der Überstunden über ein Jahr genau geregelt wird, muss auf betrieblicher Ebene ausverhandelt werden. In der Praxis haben sich die verschiedensten Modelle herauskristallisiert: Zusätzliche Urlaubstage, saisonabhängig unterschiedliche Wochenarbeitszeiten über das Jahr, ein Nachmittag in der Woche frei, usw. Wie gut die Arbeitszeitverkürzung und die damit verbundene Arbeitszeitflexibilisierung im Interesse der ArbeitnehmerInnen gestaltet werden, liegt an den Verhandlungen auf betrieblicher Ebene. Eine gute Organisation und starke Vertretung der ArbeitnehmerInnen in den Betrieben ist daher hier besonders wichtig.
Geschichte der Arbeitszeitverkürzung in Frankreich
Jahrzehntelang währten die Diskussionen um die Arbeitszeitverkürzung in Frankreich. Seit 1936 gab es die 40 Stunden-Woche, anfangs mit zwei Wochen Urlaub. 1981 kam schließlich die 5. Woche Urlaub dazu. Aber bereits seit Mitte der 70er Jahre wurde über eine weitere Arbeitszeitverkürzung zwischen ArbeitgebervertreterInnen und ArbeitnehmervertreterInnen diskutiert. Es kam zwar 1981 zu einer Verkürzung auf 39-Stunden, das hatte allerdings keine Wirkung auf die anhaltend hohe Arbeitslosenrate von 10 %. Die eine Stunde weniger wurde durch die Optimierung von Arbeitsabläufen eingespart und hatte keine weiterreichenden arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen.
Festgefahrenen Positionen zwischen Arbeitgeberverbänden, die mehr Flexibilität forderten und den Gewerkschaften, die eine Arbeitszeitverkürzung forderten, verhinderten lösungsorientierte Ansätze. 1996 kam allerdings durch ein staatliches Gesetz einer rechten Regierung Bewegung in die Thematik: Betriebe, die die Arbeitszeit verkürzten, um nachweislich Arbeitsplätze zu sichern bzw. zu schaffen, erhielten finanzielle Unterstützung durch den Staat. Dieses Angebot wurde von vielen Betrieben angenommen. Die damit verbundenen unerwartet hohen Kosten veranlassten den Staat zum Handeln.
1997 wurde per Gesetz von dem nun regierenden linken Bündnis ein Prozess zur Arbeitszeitverkürzung eingeleitet.
Etappe eins sah vor, dass es freiwillige Verhandlungen in Betrieben, in Unternehmen oder auch in Branchen geben sollte. Unterschiedlichste Lösungen konnten so erprobt werden. Zudem wurden finanzielle Anreize für die Schaffung neuer Arbeitsplätze gesetzt. Zentral wurden die Verhandlungsergebnisse dann juristisch, sozial und praktisch überprüft. Zehntausende Betriebe nahmen dieses Angebot an.
Im Jahr 2000 wurde der zweite Schritt gesetzt: Betriebe mit mehr als 20 MitarbeiterInnen waren verpflichtet, die Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche zu verkürzen, allen anderen war es freigestellt. Es zeigte sich jedoch, dass auch kleinere Betriebe sich für Verhandlungen entschieden, um weiterhin qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.
Weiterführende Informationen des ÖGB zum Thema Arbeitszeitverkürzung
Die Reihe der Sozialstammtische wird getragen von der bischöflichen Arbeitslosenstiftung, dem ÖGB OÖ, dem Sozialreferat der Diözese Linz sowie der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung OÖ.