OHNE ARBEIT LEBEN ... !?
Information Diskussion Nr. 229 - Februar 2010 (pdf)
Der Druck in der Arbeitswelt wächst weiter
Von Dominika Meindl und Christian Winkler, Bischöfliche Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz
Eine der schlimmsten Auswirkungen des Platzens der Spekulationsblase und der daraus folgenden Wirtschaftskrise betrifft den Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenzahlen steigen weltweit auf Rekordhöhen. Das Schlimmste liegt laut Prognosen von WirtschaftsforscherInnen noch vor uns.
Hoffnungen auf Entspannung machen sie uns erst wieder ab dem Jahr 2011. In diesem Jahr fallen jedoch auch die EU-Übergangsfristen für den Zugang zur österreichischen Arbeitswelt aus Ost- und Mitteleuropa. Die Auswirkungen sind schwer einzuschätzen.
Eine echte Verbesserung ist nicht zu sehen. Viele Firmen nützen auch die Krise, um MitarbeiterInnen für Sparmaßnahmen zu opfern. Es gibt bei weitem nicht genügend Arbeitsplätze für alle Menschen. Arbeitslosigkeit ist kein Randgruppenthema und betrifft in Österreich im Jahresverlauf etwa ein Viertel aller unselbstständig Erwerbstätigen, das sind 800.000
Menschen.
Erschreckende Zahlen
Laut den Dezember-Zahlen des AMS steigt die Arbeitslosigkeit weiter auf Spitzenhöhe an, wenn auch nicht mehr so rasant wie zuletzt. Laut neuesten Zahlen des AMS ist im Vergleich zum Dezember 2008 die Arbeitslosenquote in Österreich noch weiter von 7,9 % auf 8,6 % gestiegen.
Das Wifo-Institut befürchtet, dass die Zahl der Arbeitsuchenden in ganz Österreich im kommenden Jahr auf bis zu 400.000 ansteigen wird. Das ist der tägliche Durchschnitt, unabhängig von saisonalen Schwankungen.
Zudem entsprechen diese Zahlen der Realität auf dem Arbeitsmarkt nicht wirklich. Noch nie zuvor waren so viele Menschen in Schulung, im November waren es 78.782. An sich sind qualifizierte Schulungen zu begrüßen. Da die Schulungsteilnehmer-Innen aber nicht Teil der Arbeitslosenquote sind, dient ihre hohe Anzahl auch der Verschleierung einer Misere. Arbeitssuchende in Schulung und andere Gruppen wie Arbeitslose im Krankenstand, Lehrstellensuchende oder PensionsvorschussbezieherInnen eingerechnet, liegt die Quote nicht bei 8,6 %, sondern bei rund 12,5 %.
Oberösterreich, traditionell das Bundesland mit der niedrigsten Arbeitslosenquote, war vom Anstieg besonders betroffen. Grund dafür ist der relativ hohe Anteil der Industrie.
Aktuell sind 40.332 Menschen in Oberösterreich in der Statistik als arbeitslos erfasst. Es ist also davon auszugehen, dass hier mehr als 55.000 Menschen keine Arbeit haben.
Arbeit fehlt, Armut steigt
Der Anteil armutsgefährdeter Menschen in Österreich ist auch in den vergangenen Jahren der Hochkonjunktur bei einer Million geblieben. In den vergangenen zwei Jahren waren insgesamt 1,5 Millionen ÖsterreicherInnen betroffen. Laut Statistik Austria (EU-SILC 2008) sind 12,4 %
der Bevölkerung von Armut bedroht. Trotz Hochkonjunktur ist die Zahl der manifest armen Menschen um ein Viertel auf 492.000 gestiegen. Arbeitslosigkeit ist die Schnellstraße in die Armut.
Andererseits ist aber Erwerbsarbeit nicht ausreichend, um Armut zu verhindern. Der Anteil der „working poor“, also jener, die trotz Vollzeitbeschäftigung nicht genug für eine gesicherte Existenz verdienen, steigt. Desweiteren nimmt die Zahl der Vollzeitstellen derzeit stetig ab, während der Anteil an Teilzeitstellen, unbezahlten Praktika oder prekären Beschäftigungsverhältnissen rapide wächst.
In Österreich stand 2009 im Vergleich zum Jahr 2008 einem Minus von 70.400 Vollzeiterwerbstätigen ein Zuwachs von ca. 51.400 Teilzeitbeschäftigten gegenüber. Es sind auch immer mehr Menschen mit hohem Bildungsgrad prekär beschäftigt und von Armut bedroht.
Krankmachendes System
Arbeit wird immer ungerechter verteilt – wer eine fixe Anstellung hat, wird oft durch „Job-Enrichment“, also der Erweiterung des Aufgabenfeldes, und Überstunden überfordert. Die psychische Belastung für ArbeitnehmerInnen steigt laut ExpertInnen massiv an. Immer mehr Menschen fühlen sich gemobbt oder leiden unter den verschiedensten Formen des Burn-Out.
Psychisch belastet sind aber auch Menschen ohne Arbeit. Es ist medizinisch klar belegt, dass hier der Stress und dessen gesundheitliche Folgen noch schlimmer sind. Der Aufwand, der für die Suche nach einem guten Arbeitsplatz nötig ist, ist immens. Herzinfarkt und Burn-Out sind schon lange keine Managerkrankheiten mehr. Die Suizidrate unter Menschen ohne Arbeit ist bis zu achtmal höher. Laut Statistik Austria leiden 13 % jener, die in Österreich als manifest arm gelten, unter gesundheitlichen Problemen. Von jenen mit hohem Einkommen tun das aber nur 2 %.
Je nach Geschlecht, Bildung und Einkommen kann sich die Lebenserwartung um mehr als zehn Jahre unterscheiden. Diese Ungleichheit hat in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen.
Große Probleme für junge Menschen ohne Arbeit
Jugendliche und junge Erwachsene sind besonders von der Arbeitslosigkeit betroffen: Die Arbeitslosenquote ist hier um ein Drittel höher als die allgemeine. Das galt schon zu Zeiten der Hochkonjunktur und aktuell mehr denn je. Firmen stellen kaum neue MitarbeiterInnen ein, die Kündigungen haben besonders jene betroffen, die zuletzt eingestellt worden waren.
Für junge Menschen ohne Arbeit bedeutet das nicht nur Armutsgefährdung, sondern eine verwehrte Teilhabe an der Gesellschaft. Von der Schwierigkeit, ein selbstständiges Leben mit eigener Wohnung oder Familie zu führen, ganz zu schweigen. Viele befinden sich in einer besonders sensiblen Lebensphase. Wer keine Aussicht auf einen Ausbildungsplatz oder einen ersten Arbeitsplatz hat, der kann auch schwer eine optimistische Perspektive auf das Leben entwickeln. Auch gesellschaftlich und wirtschaftlich gesehen ist die hohe Arbeitslosigkeit bei den Jungen eine immense Hypothek. Es wird für sie unmöglich, Arbeitserfahrungen zu sammeln und später einen gut bezahlten Arbeitsplatz zu finden.
Arbeit gerechter verteilen
Die Lösung kann nur in einem Mehr an Arbeitsplätzen bestehen, und zwar durch die Schaffung von Stellen, von denen auch gut zu leben ist. Statt der Neiddebatte über die ohnehin viel zu geringen Sozialleistungen muss über faire Mindestlöhne und eine gerechtere Steuerpolitik gesprochen werden. Die Höhe des Arbeitslosengeldes ist in Österreich mit 55 % des letzten Gehalts im Vergleich zum EU-Durchschnitt von 70 %
beschämend gering und schützt nicht vor Armut. Auch die derzeit geplante Mindestsicherung ist nicht dazu angetan, die Existenz der BezieherInnen zu sichern.
Von Dominika Meindl und Christian Winkler, Bischöfliche Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz
Eine der schlimmsten Auswirkungen des Platzens der Spekulationsblase und der daraus folgenden Wirtschaftskrise betrifft den Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenzahlen steigen weltweit auf Rekordhöhen. Das Schlimmste liegt laut Prognosen von WirtschaftsforscherInnen noch vor uns.
Hoffnungen auf Entspannung machen sie uns erst wieder ab dem Jahr 2011. In diesem Jahr fallen jedoch auch die EU-Übergangsfristen für den Zugang zur österreichischen Arbeitswelt aus Ost- und Mitteleuropa. Die Auswirkungen sind schwer einzuschätzen.
Eine echte Verbesserung ist nicht zu sehen. Viele Firmen nützen auch die Krise, um MitarbeiterInnen für Sparmaßnahmen zu opfern. Es gibt bei weitem nicht genügend Arbeitsplätze für alle Menschen. Arbeitslosigkeit ist kein Randgruppenthema und betrifft in Österreich im Jahresverlauf etwa ein Viertel aller unselbstständig Erwerbstätigen, das sind 800.000
Menschen.
Erschreckende Zahlen
Laut den Dezember-Zahlen des AMS steigt die Arbeitslosigkeit weiter auf Spitzenhöhe an, wenn auch nicht mehr so rasant wie zuletzt. Laut neuesten Zahlen des AMS ist im Vergleich zum Dezember 2008 die Arbeitslosenquote in Österreich noch weiter von 7,9 % auf 8,6 % gestiegen.
Das Wifo-Institut befürchtet, dass die Zahl der Arbeitsuchenden in ganz Österreich im kommenden Jahr auf bis zu 400.000 ansteigen wird. Das ist der tägliche Durchschnitt, unabhängig von saisonalen Schwankungen.
Zudem entsprechen diese Zahlen der Realität auf dem Arbeitsmarkt nicht wirklich. Noch nie zuvor waren so viele Menschen in Schulung, im November waren es 78.782. An sich sind qualifizierte Schulungen zu begrüßen. Da die Schulungsteilnehmer-Innen aber nicht Teil der Arbeitslosenquote sind, dient ihre hohe Anzahl auch der Verschleierung einer Misere. Arbeitssuchende in Schulung und andere Gruppen wie Arbeitslose im Krankenstand, Lehrstellensuchende oder PensionsvorschussbezieherInnen eingerechnet, liegt die Quote nicht bei 8,6 %, sondern bei rund 12,5 %.
Oberösterreich, traditionell das Bundesland mit der niedrigsten Arbeitslosenquote, war vom Anstieg besonders betroffen. Grund dafür ist der relativ hohe Anteil der Industrie.
Aktuell sind 40.332 Menschen in Oberösterreich in der Statistik als arbeitslos erfasst. Es ist also davon auszugehen, dass hier mehr als 55.000 Menschen keine Arbeit haben.
Arbeit fehlt, Armut steigt
Der Anteil armutsgefährdeter Menschen in Österreich ist auch in den vergangenen Jahren der Hochkonjunktur bei einer Million geblieben. In den vergangenen zwei Jahren waren insgesamt 1,5 Millionen ÖsterreicherInnen betroffen. Laut Statistik Austria (EU-SILC 2008) sind 12,4 %
der Bevölkerung von Armut bedroht. Trotz Hochkonjunktur ist die Zahl der manifest armen Menschen um ein Viertel auf 492.000 gestiegen. Arbeitslosigkeit ist die Schnellstraße in die Armut.
Andererseits ist aber Erwerbsarbeit nicht ausreichend, um Armut zu verhindern. Der Anteil der „working poor“, also jener, die trotz Vollzeitbeschäftigung nicht genug für eine gesicherte Existenz verdienen, steigt. Desweiteren nimmt die Zahl der Vollzeitstellen derzeit stetig ab, während der Anteil an Teilzeitstellen, unbezahlten Praktika oder prekären Beschäftigungsverhältnissen rapide wächst.
In Österreich stand 2009 im Vergleich zum Jahr 2008 einem Minus von 70.400 Vollzeiterwerbstätigen ein Zuwachs von ca. 51.400 Teilzeitbeschäftigten gegenüber. Es sind auch immer mehr Menschen mit hohem Bildungsgrad prekär beschäftigt und von Armut bedroht.
Krankmachendes System
Arbeit wird immer ungerechter verteilt – wer eine fixe Anstellung hat, wird oft durch „Job-Enrichment“, also der Erweiterung des Aufgabenfeldes, und Überstunden überfordert. Die psychische Belastung für ArbeitnehmerInnen steigt laut ExpertInnen massiv an. Immer mehr Menschen fühlen sich gemobbt oder leiden unter den verschiedensten Formen des Burn-Out.
Psychisch belastet sind aber auch Menschen ohne Arbeit. Es ist medizinisch klar belegt, dass hier der Stress und dessen gesundheitliche Folgen noch schlimmer sind. Der Aufwand, der für die Suche nach einem guten Arbeitsplatz nötig ist, ist immens. Herzinfarkt und Burn-Out sind schon lange keine Managerkrankheiten mehr. Die Suizidrate unter Menschen ohne Arbeit ist bis zu achtmal höher. Laut Statistik Austria leiden 13 % jener, die in Österreich als manifest arm gelten, unter gesundheitlichen Problemen. Von jenen mit hohem Einkommen tun das aber nur 2 %.
Je nach Geschlecht, Bildung und Einkommen kann sich die Lebenserwartung um mehr als zehn Jahre unterscheiden. Diese Ungleichheit hat in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen.
Große Probleme für junge Menschen ohne Arbeit
Jugendliche und junge Erwachsene sind besonders von der Arbeitslosigkeit betroffen: Die Arbeitslosenquote ist hier um ein Drittel höher als die allgemeine. Das galt schon zu Zeiten der Hochkonjunktur und aktuell mehr denn je. Firmen stellen kaum neue MitarbeiterInnen ein, die Kündigungen haben besonders jene betroffen, die zuletzt eingestellt worden waren.
Für junge Menschen ohne Arbeit bedeutet das nicht nur Armutsgefährdung, sondern eine verwehrte Teilhabe an der Gesellschaft. Von der Schwierigkeit, ein selbstständiges Leben mit eigener Wohnung oder Familie zu führen, ganz zu schweigen. Viele befinden sich in einer besonders sensiblen Lebensphase. Wer keine Aussicht auf einen Ausbildungsplatz oder einen ersten Arbeitsplatz hat, der kann auch schwer eine optimistische Perspektive auf das Leben entwickeln. Auch gesellschaftlich und wirtschaftlich gesehen ist die hohe Arbeitslosigkeit bei den Jungen eine immense Hypothek. Es wird für sie unmöglich, Arbeitserfahrungen zu sammeln und später einen gut bezahlten Arbeitsplatz zu finden.
Arbeit gerechter verteilen
Die Lösung kann nur in einem Mehr an Arbeitsplätzen bestehen, und zwar durch die Schaffung von Stellen, von denen auch gut zu leben ist. Statt der Neiddebatte über die ohnehin viel zu geringen Sozialleistungen muss über faire Mindestlöhne und eine gerechtere Steuerpolitik gesprochen werden. Die Höhe des Arbeitslosengeldes ist in Österreich mit 55 % des letzten Gehalts im Vergleich zum EU-Durchschnitt von 70 %
beschämend gering und schützt nicht vor Armut. Auch die derzeit geplante Mindestsicherung ist nicht dazu angetan, die Existenz der BezieherInnen zu sichern.