Gemeinsam zum Wohl der Gemeinschaft - 100. Sozialstammtisch in Linz
Seit 1997 treffen sich gesellschaftspolitisch Interessierte in diesem offenen Forum zum Meinungsaustausch und zur Diskussion über ein Thema, das unter den Nägeln brennt. Der Jubiläumsstammtisch stand unter dem Thema: „Zahlen, bitte – Zahlen auf den Tisch“ mit dem Wirtschaftsforscher Dr. Markus Marterbauer als Referent.
Für Menschenwürde und Gemeinwohl
„Menschen, denen Solidarität wichtig ist, kommen hier zusammen, um dem Gemeinwohl zu dienen. Nur wenn Menschen einstehen für Würde und Gemeinwohl wird auch eine Politik möglich, die zukunftstauglich ist.“, betont Diözesanbischof Dr. Ludwig Schwarz in seinem Statement. „Beim Engagement gegen Arbeitslosigkeit und Armut, für den freien Sonntag und die Menschenwürde nehmen Kath. Kirche und ÖGB die gleiche Position ein. Um unsere Ziele zu erreichen, braucht es Verbündete. Das macht die kritischen Diskussionen beim Sozialstammtisch so wertvoll“, würdigt ÖGB-Landesvorsitzender Dr. Johann Kalliauer die Kooperation. „Die Sozialstammtische sind ungeheuer gewichtig, weil sie Kräfte bündeln, die über Parteigesinnung hinweg für Menschenwürde sorgen“, meinte Bischof em. Maximilian Aichern bei seinen Grußworten. Auch Landeshauptmann-Stellvertreter LR Josef Ackerl, Referent des allerersten Stammtisches im Jahr 1997, drückte als Ehrengast beim Jubiläumsstammtisch seine Wertschätzung für diese Kooperation aus.
Mit Steuern Spielraum für Investitionen schaffen
Beim 100. Sozialstammtisch am 30. Jänner 2012 setzten sich ca. 120 TeilnehmerInnen mit der weltweit zunehmenden Ungleichheit in der Verteilung auseinander.
In seinem Referat stellte Dr. Markus Marterbauer klar: Nicht der Sozialstaat, sondern die Finanzkrise hat die Schuldenkrise verursacht. Entgegen vieler Behauptungen habe der Sozialstaat sogar stabilisierende Wirkung gehabt und die Krise abgefedert.
Marterbauer fordert in erster Linie die Gestaltungskraft der Politik ein, um eine nachhaltige Änderung des Systems zu erreichen. Der Sozialstaat darf nicht abgebaut werden, sondern muss umgebaut werden um besser gegen Armut abzusichern. Kritisch sieht Marterbauer den Sparwahn in Europa: Sparen würge die Wirtschaft ab. Seine Ansätze: Investitionen in Zukunftsfelder: Kinderbetreuung, Bildung, Arbeitsplätze für Frauen, in die Pflege und gegen Armut. Das lehre auch die Geschichte. „Jene Länder, die wie die USA in den 30er Jahren gut aus der Krise gekommen sind, haben zwei Dinge gemacht: Sie haben die Steuern, etwa auf Erbschaften oder Spitzeneinkommen massiv erhöht und das Geld genutzt, um zum Beispiel in Infrastruktur und Bildung zu investieren.“ Die einseitige Fokussierung der EU-Spitzen auf die Schuldenfrage bereitet Marterbauer Sorgen: „Mindestens so gefährlich ist die Jugendarbeitslosigkeitskrise in Europa. Würde man beide Phänomene gemeinsam betrachten, würde schnell klar, dass Sparprogramme und Sozialabbau viele Probleme verschärfen.“
Die Erfolgsgeschichte der Sozialstammtische ist für die Veranstaltergemeinschaft Motivation genug weiter zu machen, denn es gibt noch viel zu tun. Die Notwendigkeit, sich ausführlich zu informieren, Argumente und Positionen von verschiedenen Parteien, Interessensvertretungen und gesellschaftlichen Gruppen zu analysieren und sich dazu eine klare eigene Meinung zu bilden, nimmt zu.
Weiter zum ORF-Bericht in \"Oberösterreich heute\" am 31. Jan. 2012:
Wer sich näher mit dem Thema des Sozialstammtisches aufeinandersetzen möchte sei das Buch von Markus Marterbauer empfohlen:
Zahlen bitte!
Die Kosten der Krise tragen wir alle
von Markus Marterbauer
253 Seiten; m. graph. Darst.;
2011 Deuticke Im Zsolnay Verlag
ISBN 978-3-552-06173-6
z. B. in der Buchhandlung Veritas um Euro 18,40