„Begegnungen auf Augenhöhe“ Gesprächsabend mit Bischof em. Maximilian Aichern zum 80. Geburtstag
Über Jahre war Bischof Maximilian Aichern das „soziale Gesicht“ der österreichischen Bischofskonferenz. Viele Grundsteine seines Engagements wurden bereits durch Erfahrungen während seiner Jugend im Wien der Kriegs- und Nachkriegszeit gelegt: Zusammenhalt und Solidarität, der Wille zum Aufbau, die Tatkraft der Frauen, die Nähe zu Kirche und Sozialdemokratie. Bereits während seiner Zeit im „roten“ Gymnasium kam er mit der neu gegründeten Katholischen Arbeiterjugend in Verbindung: „Die KAJ ist ein Stück meiner Jugend gewesen.“ Um den Fortbestand der elterlichen Fleischerei nicht zu gefährden, wurde nach der Matura 1951 das gewünschte Theologiestudium aufgeschoben und Maximilian Aichern zum Fleischhauer ausgebildet. Erst nach der Gesellenprüfung kam der Eintritt ins Benediktinerstift St. Lambrecht, wo er nach der Priesterweihe als Kaplan für Fabriksarbeiter und später als Berufsschullehrer eingesetzt wurde. Als wichtige „Lehrzeit“ beschreibt er seine Zeit als Abt ab 1964 und die 11jährige Zuständigkeit für die Klöster der Benediktiner in Jugoslawien. In beiden Funktionen waren gute Beziehungen über Grenzen hinweg von Bedeutung. Völlig überraschend kam 1981 die Ernennung zum Bischof von Linz.
Untrennbarkeit von Kirche und Sozialem
Die Diözese Linz hatte den Ruf, offen und in der religiösen Praxis sehr stark zu sein. Vieles vom II. Vatikanum und der Österreich-Synode war bereits durch die Bischöfe Zauner und Wagner auf den Weg gebracht worden. Glaube und Taten, Ethik und Solidarität, Kirche und Mitmenschliches in Einklang zu bringen, dieser Weg konnte fortgesetzt werden. Stets suchte Bischof Aichern die Begegnung mit den Menschen, mit Bürgermeistern genauso wie mit Pfarrgemeinde- oder Betriebsräten, sein Credo dabei: „Gespräche auf Augenhöhe führen, niemanden ausschließen.“
Rasch wurde Bischof Aichern auch zum Referatsbischof für die KA, die KAB und für Kirche und Soziales bestellt, seiner Erfahrungen mit der Welt der Arbeit und seiner Grundhaltung wegen.
In dieser Funktion griff er die Anregung des damaligen KAB-Bundessekretärs Leopold Sumerauer für einen Sozialhirtenbrief auf und war für dessen Erstellung verantwortlich. Ein langer Diskussionsprozess unter Einbeziehung von politischen Parteien, Gewerkschaften, Kammern genauso wie Sozialethikern und -praktikern führte dank vieler Gespräche und Auseinandersetzungen schließlich1990 zu diesem öffentlich sehr wirksamen Dokument.
Zeichen der Zeit erkennen und handeln
Ob der Anstieg der Arbeitslosigkeit, die Emanzipation der Frauen, die Gefährdung des Sonntags: Bischof Aichern leistete Pionierarbeit: Als erste Diözese errichtete er eine Bischöfliche Arbeitslosenstiftung, eine Diözesane Frauenkommission, und die Allianz für den freien Sonntag nahm ebenfalls von Linz Fahrt auf Richtung Gesamtösterreich und EU.
Armutsverhältnisse verstärkten sich und bei aller Wertschätzung persönlicher Solidarität und der Arbeit der Caritas sah Bischof Aichern auch hier strukturellen Handlungsbedarf. Eine Mindestsicherung sollte in allen EU-Ländern eingeführt werden, forderten er und sein evangelischer Amtskollege in Brüssel ein. 15 Jahre dauerte es, bis dies in Österreich endlich umgesetzt wurde.
Bischof Aichern ist überzeugt, dass menschenwürdiges Leben möglich wird durch den gemeinsamen Einsatz Vieler. Ethik speist sich aus dem Glauben und mit der Verkündigung des Evangeliums wird gleichzeitig die Soziallehre weitergegeben. Nicht nur der Glaube, sondern auch konkrete Taten und Mitmenschlichkeit gehen aus der Bibel hervor – Kirche und Soziales muss verbunden sein. „Der einzige Beweis, dass Christus in uns wohnt, ist die leidenschaftliche Liebe zu den Brüdern und Schwestern“ zitiert er abschließend den evangelischen Bischof Dieter Knall.
Mag.a Gertraud Jahn, Landtagsabgeordnete und SPÖ-Klubobfrau und Dr. Josef Moser, Direktor der AK OÖ als Gäste des Abends formulierten die Außensicht auf Bischof Aicherns Amtszeit. „Sie haben ein Klima von Offenheit, Toleranz und menschlicher Zuwendung geschaffen und eine Kirche entwickelt, die weit über Wohltätigkeit hinausgeht. Alles, was Sie forciert haben, ist aktueller denn je.“, würdigte Mag.a Jahn das kirchlich-sozialpolitische Engagement Bischof Aicherns und Dr. Moser betonte dessen Rolle als Brückenbauer und als „Soziales Gewissen“.
Aktuell stellt sich die Herausforderung des zunehmenden Auseinanderdriftens unserer Gesellschaft und die Frage nach dem Wert des Menschen jenseits von Kosten und Gewinnmaximierung.
Hier ist die Sicht und der Beitrag der Kirche zu einem guten Leben für alle weiterhin gefragt.
(za)
Fotos: hannesm.