Arbeit ist das halbe Leben! - Was ist dann ein Leben ohne Arbeit?
Sechs Statements aus dem Alltag eröffneten die Enquete, um den Statistiken zu Arbeitslosigkeit, Armut und verschiedensten Belastungen Gesichter zu geben:
Franz Xaver Mayr (Caritas für Menschen in Not, Linz): Zu uns kommen die Leute, wenn gar nichts mehr geht, mit einem Gefühl des Versagens und der Scham. Armut muss versteckt werden.
Dagmar Andree (AK OÖ, Abt. Sozialpolitik, Linz): Je länger jemand arbeitslos ist und je drückender die Probleme werden, desto weniger Rechte hat er/sie. Kaum jemand sagt, dass es am Arbeitsmarkt liegt, dass es keine Arbeit gibt, sondern die Leute glauben, es liegt an ihnen selbst.
Susanne Stockinger (Verein Arbeitslose helfen Arbeitslosen): Es ist wichtig, über die eigene Situation zu reden, wenn mann/frau arbeitslos ist – auf einer Ebene, von Mensch zu Mensch.
Ulrike Würzburger (B.A.M., B7, Linz): Viele Probleme und viel Druck, die arbeitslose Menschen erleben, sind schon in Zeiten der Beschäftigung begründet.
Hubert Gratzer (Betriebsseelsorger, Mobbingberater, Linz): Was drückt die Menschen aus der Arbeitswelt hinaus? Sehr schwierig wird es, wenn in allen Lebensbereichen Krisen auftauchen. Insgesamt wäre es leichter, wenn die oberen 10% arbeitslos wären, leider trifft es aber immer die unteren!
Andrea Winter (Clearingstelle Jugendarbeitsassistenz, Volkshilfe OÖ): Beziehungsaufbau zu den Jugendlichen ist sehr wichtig, damit sie Perspektiven entwickeln können.
Drei ReferentInnen analysierten anschließend aus ihrer Perspektive, was in unserer Gesellschaft los ist, warum Erwerbsarbeit zunehmend unser Leben dominiert. Einige Aspekte aus ihren Referaten:
Dr. Werner Schöny (Facharzt für Psychiatrie, Direktor der oö. Landesnervenklinik, Linz, Obmann pro mente OÖ): „Kränkt Arbeitslosigkeit die Psyche?“
Arbeitslosigkeit macht krank. Arbeit ist Stress, keine Arbeit zu haben, macht noch mehr Stress. Natürlich gibt es verschiedene menschliche Konstitutionen, manche stehen alles durch, manche eben nicht. Arbeitslose Menschen haben ein 6 Mal so hohes Suizidrisiko als arbeitende Menschen.
Gesellschaftspolitische Aufträge: Arbeitsplätze schaffen und erhalten, Grundsicherung, neue Modelle andenken (z.B. Teilzeit-Pension), Schwache besonders unterstützen, Vorurteile abbauen, Würde erhalten, rechtzeitig Hilfe anbieten.
DDDr. Clemens Sedmak ( Philosoph, Theologe, Soziologe, Salzburg, London, Leiter des Zentrums für Ethik und Armutsforschung): „Des arbeitslosen Menschen Würde“
Wir organisieren unsere Gesellschaft über Clubsysteme. Ein Club wird durch Mitgliedschaften definiert. Mit einer Mitgliedschaft wird auch eine Bindung eingegangen. Die Mitgliedschaften zu verschiedenen Clubs entscheiden über die menschliche Identität. Bei Wegfall des „Clubs Arbeitsplatz“ fällt eine sehr wichtige Zugehörigkeit weg!
Es braucht eine Politik der Würde und anständige Institutionen, die Menschen nicht demütigen. Arbeitslosigkeit darf nicht unter demütigenden Bedingungen verwaltet werden.
Laut der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) sind Kriterien für eine menschenwürdige Arbeit sozialer Dialog, hinreichende Remuneration, physische Sicherheit und rechtliche Absicherung. All diese Faktoren sind - werden sie auf die Situation arbeitsloser Menschen übertragen - kaum gegeben.
Menschen, die arbeitslos geworden sind, dürfen nicht auch noch ihre Identität verlieren!
Mag.a Margit Appel (Politologin, ksoe Wien): „Tätigsein in Freiheit. Wie geht das im Kopf, wie in der Gesellschaft?“
Vorbemerkung 1: Was ist mit unserer Gesellschaft / mit uns los, dass uns der Verlust von Arbeit so zurichten und leiden lassen kann?
Vorbemerkung 2: Arbeitslosigkeit ist dramatisch und zum Verzweifeln!
Wir können ein Stück Freiheit gewinnen, wenn wir genauer über Arbeit nachdenken, die Bedeutung von unbezahlter Arbeit, über Arbeitsfähigkeit, Männer- und Frauenarbeit, Freiwilligenarbeit und die ideologische Anfütterung unseres Arbeitsbildes.
Es existieren gesellschaftliche Mythen zum Thema Arbeit und Leistung, z.B. die Denkfalle, dass Arbeit in kapitalistischer Ordnung bezahlt wird, weil eine Leistung für jemanden erbracht wird. Dagegen steht die Erfahrung der vielen working poor, die sich unendlich abmühen. Arbeit wird nur dann zur bezahlten Arbeit, wenn sie gerade marktfähig ist.
Gesellschaftliche Veränderungen, die es braucht, sind:
- eine entschiedene Verteilungspolitik
- eine repressionsfreie Arbeitsmarktpolitik
- eine Bildungspolitik vor allem für junge Erwachsene, die Irrtümer und Ausfälle ermöglicht und auf diese Weise Innovation sichert.
Fotos von der Veranstaltung und weitere Berichte unter: www.arbeitslosenstiftung.at
Kurz zitiert:
„Arbeitslosigkeit verursacht bei vielen betroffenen Menschen Stress und Resignation, die ganze Würde des Menschen ist gefährdet.“ (Bischof Ludwig Schwarz)
„Ein Zuwachs an Arbeitsplätzen mit guten Bedingungen ist nötig.“ (Bischof Ludwig Schwarz)
„Unsere Gesellschaft darf sich nicht abfinden mit Arbeitslosigkeit.“ (Bischof Ludwig Schwarz)
„Arbeitslosigkeit ist ein Hochrisikofaktor.“ (Dr. Werner Schöny)
\"Arbeit ist Stress, keine Arbeit zu haben, macht noch mehr Stress.\" (Dr. Werner Schöny)
\"Jede Form der wirtschaftlichen Unterentwicklung ist auch eine Form der moralischen Unterentwicklung.\" (DDDr. Clemens Sedmak)