Warum wurde die neoliberale Wirtschaft zum Massenphänomen?
Nur 2 % von dem, was wir aufnehmen, wird von uns bewusst registriert
Menschen sind nicht so rational und bewusst, wie wir glauben (wollen). Es gibt eine Menge Tricks, um Aufmerksamkeit zu lenken und Inhalte in unser Gehirn zu bringen. Obwohl mehr als 60 % der Kommunikation zwischen Menschen über Körpersprache passiert, ist viel mit einem bewussten Einsatz von Wortwahl und Metaphern zu erreichen. Nur 2 % von dem, was eine Botschaft oder eine Wahrnehmung in uns auslöst, wird bewusst von uns registriert. Z. B. denke ich bei einer Geschichte über einen Rosenbusch vielleicht unbewusst an meine liebe Tante mit dem schönen Garten oder an das eine Mal, als ich mir ordentlich die Hände verkratzt habe. Unsere spontanen Assoziationen hängen zusammen mit unserer Vergangenheit, mit unseren Erinnerungen und genau dort liegt ein breites Feld für Manipulation. Gehirnforscher haben nachgewiesen, dass etwas Falsches, das man oft genug hört, irgendwann als Wahrheit empfunden wird, genau weil wir unbewusst spüren, es schon irgendwann mal gehört zu haben. Werbungagenturen, aber auch PolitikerInnen, nutzen die Möglichkeiten, gesteuert Begriffe und Assoziationen in unser Gehirn einzubetten und diese Praxis heißt "Framing".
Think Tank-ExpertInnen kommen nicht aus einem luftleeren Raum
Spontane Assoziationen können wir nicht ausschalten und das ist gut so. Es wäre schade um die schönen Bilder des Lebens, würden wir nur noch sachlich die Welt betrachten. Wenn uns ein Märchen erzählt wird oder unsere Eltern uns die Welt zeigen, werden ebenfalls „Frames“ kreiert. Problematisch ist es, wenn diejenigen, die Frames bewusst lenken, zu vie Macht bekommen bzw. wir nur einseitig beeinflusst werden. Forschungen an der JKU zeigen, dass die Verflechtungen zwischen Wirtschaftsinteressen, Regierungspolitik, Medien und von der Wirtschaft geförderten Think Tanks massiv sind, daraus resultiert eine einseitige Vernebelung der Vernunft. Es reicht, die Eigentumsstrukturen zu recherchieren, nehmen wir als Beispiel die Agenda Austria, um zu verstehen, dass viele deklarierte ExpertInnen nicht unabhängig agieren, auch wenn sie stets das Gegenteil behaupten. Obwohl sachlich über das Gleiche gesprochen wird, ist die Wortwahl sehr entscheidend: "Hängematte" oder "Sprungbrett" um unser Sozialsystem zu bezeichnen? "Anlandeplattformen" oder "Deportationslager" um die Flüchtlingsunterkünfte an den EU-Außengrenzen zu bezeichnen?
Was also tun?
Martin Fischmeister zitierte Karl Popper: "Wissenschaft ist angewandter Hausverstand". Vielleicht ist es an der Zeit, den eigenen Hausverstand, das eigene Gespür, das eigene Menschsein und die eigenen Erfahrungen genauso wichtig zu nehmen, wie die Äußerungen von so genannten unabhängigen Expertinnen. Die eigene Meinung und Haltung muss ja nicht immer 'expertenhörig' nur auf Zahlen und Fremdbotschaften aufgebaut werden, das eigene Herz und der eigene Anstand - man kann auch sagen: die eigene menschliche Würde - hat ebenfalls mitzureden. Ich traue mich zu sagen, auch nach diesem ernüchternden Befund der Referenten über die Wirksamkeit von Framing und Think Tanks: Wir sind nicht so leicht lenkbar, wie es uns manche glauben lassen wollen!
Stefan Robbrecht-Roller