Eine Flucht ist keine Reise!
Ein Einblick in die rechtliche und soziale Situation von Flüchtlingen in Österreich stand am Beginn. Wie läuft ein Asylverfahren bei uns ab, was bedeutet Grundversorgung, wie hoch ist der Betreuungsschlüssel in der Flüchtlingsarbeit, unter welchen Bedingungen macht ehrenamtliches Engagement Sinn? Mit ihrer langjährigen praktischen Erfahrung in der Flüchtlingsbetreuung ergänzte die Referentin die Faktenlage mit Beispielen, die unglaublich klingen: Da warten Menschen sechs, acht Jahre auf den Ausgang ihres Verfahrens, können inzwischen gut Deutsch, haben eine Ausbildung absolviert und Kinder geboren, die keine andere Heimat als Österreich kennen – doch noch immer ist ungewiss, ob sie bleiben können. Andere wiederum haben nach drei Tagen einen positiven Asylbescheid in der Hand und sind mit dieser Situation völlig überfordert: Innerlich noch nicht einmal hier angekommen, ohne Sprachkenntnisse und Erfahrungen, wie das Leben in Österreich zu organisieren ist. Maximal vier Monate können anerkannte Flüchtlinge noch in der Grundversorgung bleiben, anschließend müssen sie alleine zurechtkommen.
Mit hochgespannter Aufmerksamkeit lauschten die TeilnehmerInnen, als Karen, eine junge Frau aus Kenia von ihren Fluchtgründen und ihrer Ankunft als UMF (unbegleiteter minderjähriger Flüchtling) in Traiskirchen vor sechs Jahren erzählte. Sie macht derzeit gerade die letzte Prüfung für den österreichischen Hauptschulabschluss, obwohl sie ohne Deutschkenntnisse hier ankam und in Kenia nie eine Schule besuchen durfte. Auch sie wartet noch immer auf den Ausgang ihres Verfahrens.
Rahmenbedingungen
50:50 steht die Chance, ob eine Flucht überhaupt klappt, berichtete Elisa Roth, und ungefähr 40 bis 45 % der Asylanträge werden in Österreich positiv entschieden. Dass hier bei uns so viele Anträge gestellt werden (im Vorjahr geschätzt 90.000), hat auch mit dem relativ guten Standard im Verfahren zu tun. Solange die akuten Konfliktherde bestehen bleiben und der UNHCR wegen chronischer Unterfinanzierung die Hilfe vor Ort zurückfährt, solange werden sich Menschen in der Hoffnung auf bessere (Über-)Lebenschancen nach Europa aufmachen. Der Anstieg der Flüchtlingszahlen im letzten Sommer überraschte daher höchstens die politisch Verantwortlichen, nicht die mit Fluchtursachen vertrauten NGOs. Die Dublin-Verordnung (Zuständigkeit der EU-Ersteintrittsländer, meist Griechenland, Italien, Malta) wird der aktuellen Situation nicht mehr gerecht, betonte Elisa Roth. Daher ist erstens eine Angleichung der Asyl-Niveaus in allen europäischen Ländern und zweitens ein gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa das Gebot der Stunde.
Ehrenamtliches Engagement
Professionelle Flüchtlingsbetreuung erfordere entsprechende Kompetenz in Sozialer Arbeit, ist Elisa Roth überzeugt, zusätzliches ehrenamtliches Engagement sei allerdings auch unentbehrlich. In einer „face to face“-Begleitung sieht sie eine wertvolle Hilfestellung für geflüchtete Menschen. Wer eine Vertrauensperson an seiner Seite hat, kann sowohl die rechtlichen Hürden (wie z. B. die Interviews im Asylverfahren), als auch die Alltagsprobleme eines Lebens in Österreich besser bewältigen. Begleitung und „Realitätsbegegnungen“ erleichtern einerseits die Integration, andererseits dienen sie auch dem Abbau von Angst – denn Ängste gibt es oft auf beiden Seiten.
Wenn Begegnung gelingt und Flüchtlinge als Menschen mit ihrer je individuellen Geschichte wahrgenommen werden, können Probleme im Zusammenleben gemeinsam angegangen werden – statt angehäuft und aufgetürmt bestehen zu bleiben. „Und Humor ist immer hilfreich im Umgang miteinander“, machte die Referentin Mut, sich auf Begegnungen einzulassen und nach dem persönlich passenden Platz im Engagement für geflüchtete Menschen zu suchen.
Ein spannender Vormittag mit einer kompetenten Referentin, einem berührenden persönlichen Schicksal und vielen interessanten Diskussionsbeiträgen unterstützte die Teilnehmerinnen, eine differenzierte Sicht auf ein komplexes Thema zu gewinnen!
Elisabeth Zarzer