Die Grenzen der Menschlichkeit?
Mehr würden die Grenzen des Machbaren überschreiten – das Machbare, das im Jahr 2015 auf die Zivilgesellschaft abgewälzt wurde! Das enorme Engagement vieler Freiwilliger in privaten Vereinen und Einrichtungen macht es möglich, dass die große Zahl an Schutzsuchenden versorgt wird, bzw. gut durch Österreich reisen kann. Aber jetzt haben auch diese ihre Grenzen erreicht, im Stich gelassen von einer planlosen Asylpolitik auf Österreich- und EU-Ebene.
Eine Obergrenze ist jetzt die Lösung – wir lassen nicht mehr Flüchtlinge herein und in einem Dominoeffekt ist zu erwarten, dass auch die anderen Staaten ihre Grenzen schließen. An der EU-Außengrenze machen dann alle STOPP und warten geduldig bis sie drankommen?
Für die Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, sind die Grenzen des Erträglichen überschritten. Krieg, Hunger, fehlende Perspektiven für ein gutes Leben in Würde sind verständliche Motive, die Heimat zu verlassen. 60 Millionen Menschen sind weltweit unterwegs mit der Hoffnung, ihr Leben gut weiterleben zu können. 60 Millionen Schicksale – jedes einzelne auf seine Weise dramatisch. Für uns sind es Zahlen – Zahlen mit denen wir sehr salopp umgehen. Bundespräsidentenkandidat Hundsdorfer meint, wir können uns nicht um alle 60 Millionen kümmern. Da hat unsere Menschlichkeit dann eine Grenze. Laut dem Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände, Helmut Kukacka, ist die Einhaltung von Obergrenzen mit christlichen Werten vereinbar, sachlich gerechtfertigt und ethisch vertretbar.
Wir können es uns leisten, einen Formel 1 Boliden mit dem Hubschrauber nach Kitzbühel auf die Streif zu fliegen, um zu Gaudium der Massen ein paar Runden im Schnee zu drehen – ich weiß, das war Promotion von einem privaten Unternehmer – es zeichnet dennoch ein treffendes Bild unserer Spaßkultur, die sich nicht abgeben will mit den Problemen in einem fremden Land. Doch wenn Menschen, die entwurzelt aufbrechen, uns um Aufnahme bitten, und hoffen, dass wir unseren enormen Reichtum mit ihnen teilen – da fühlen wir uns finanziell, sozial und kulturell an unseren Grenzen.
Lösen werden die Obergrenzen meiner Meinung nach gar nichts. Sie verhärten die Situation der Menschen, verlagern das Problem in eine andere Region Europas – z.B. nach Griechenland. Die Griechen sollen laut Innenministerin Mikl-Leitner mit ihrer Kriegsmarine die türkisch-griechische Grenze verteidigen. Wie soll das gehen? Sollen sie die Schlauchboote torpedieren, bevor sie von selbst versinken? Sollen sie die Menschen ertrinken lassen?
Ich denke auch, dass eine Lösung der Problematik nur mit einen größeren Blick auf die Ursachen der Gewalt geht, die zur Vertreibung dieser Menschen führt. Da bin ich sehr schnell bei wirtschaftlichen Verstrickungen und bei Interessen von westlichen Konzernen. Der Krieg um Ressourcen ist schon lange eröffnet. Papst Franziskus sieht in der aktuellen Flüchtlingskrise nur die Spitze des Eisbergs, deren Ursache unser ungerechtes sozioökonomisches System darstellt. Für ihn steht das neue goldene Kalb, das Geld, im Mittelpunkt des Seins auf Kosten der Menschen.
Bis es aber soweit ist, dass die Ursachen beseitigt sind, müssen wir uns um die Vertriebenen kümmern, sie aufnehmen und ihnen eine Perspektive geben – mit allen Schwierigkeiten, die wir damit haben und die noch auf uns zukommen werden.
Das Jahr der Barmherzigkeit ist ausgerufen.
Ich glaube nicht, dass wir an unsere Grenzen gestoßen sind. Wollen wir nicht nur „Schönwetterchristen“ sein, wird es Zeit, dass wir auch bei schlechterem Wetter – ich rede noch gar nicht von Sturm – zu unseren christlichen Werten stehen.
Christian Leonfellner
Vorsitzender Kath. ArbeitnehmerInnen Bewegung OÖ