Unser Sozialstaat bringt Gerechtigkeit und braucht Solidarität
Wie funktioniert Solidarität?
Nach dem 2. Weltkrieg geschah der Wiederaufbau durch die gelebte Solidarität. Solidarität entwickelte sich sowohl in Österreich als auch in ganz Europa zu einem prägenden Merkmal. Die Politik hatte sich an den Lebensbedingungen aller Menschen orientiert. Österreich wurde zum Sozialstaat. Dies brachte der österreichischen Bevölkerung Gerechtigkeit. BM Stöger zitiert hier Ulrich Beck. Die Solidarität hatte sich aus der Not heraus entwickelt = Solidarität der Not. Daraus entstanden ist die ArbeiterInnenbewegung, die das Kollektiv in den Vordergrund stellt.
Dzt. erleben wir aber die Solidarität der Angst. Menschen werden in Angst versetzt und sie reagieren darauf. BM Stöger vergleicht das damit, dass ein zusammengekrümmter Mensch nur mehr schrille Töne hören kann. So erleben wir das auch in der jetzigen Politik, die rechtspopulistisch geprägt ist. Es wird Angst geschürt, die die Solidarität zerstört und bewusst die Gesellschaft spaltet. Die Schwächsten in unserer Gesellschaft und die Menschen auf der Flucht werden gegeneinander ausgespielt.
Als positives Beispiel für Solidarität führt Stöger unser umlagefinanziertes Pensionssystem an. Das sichert deutlich besser die Finanzierbarkeit als ein kapitalgedecktes Pensionssystem, das durch die kriselnden Finanzmärkte ins Wanken geraten ist. Nicht einmal mehr die Bankmanager vertrauen auf das kapitalgedeckte System - die Bank Austria möchte ihre MitarbeiterInnen in das solidarische öffentliche System eingliedern.
Tabubrüche
Die kürzlich im OÖ Landtag beschlossene Kürzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) für AsylwerberInnen und subsidiär Schutzberechtigte ist die erste Unterscheidung bei Sozialleistungen zwischen ÖsterreicherInnen und „Nicht-ÖsterreicherInnen“. Lt. BM Stöger geht es hier nicht um die Finanzierbarkeit der BMS, sondern um Menschenbilder. Nicht alle Menschen sind gleich und somit kommen Unterschiede bei den Sozialleistungen zu tragen. Dies ist eine Politik, die die Ärmsten gegen die Armen ausspielt. Das sieht BM Stöger als Beginn einer Entwicklung, deren schlimmes Ende noch nicht absehbar ist. Eine Gefahr sieht BM Stöger auch darin, dass der Beginn einer Unterscheidung zwischen Menschengruppen unaufhaltsam zu weiteren Spaltungen führen wird.
Arbeitslosigkeit und Grundeinkommen
BM Stöger macht das Ausmaß der Arbeitslosigkeit in Österreich mit einem Bild begreifbar. Dzt. gibt es soviele Arbeitslose in Österreich wie EinwohnerInnen in der Stadt Graz. Es braucht Veränderungen in Österreich und in Europa. Eine generelle Arbeitszeitverkürzung wäre ein Instrument zur Verteilung der Arbeit. Jedoch hält BM Stöger die Umsetzung nicht für realistisch, da dies an der Stimmenmehrheit im Parlament scheitern wird. Als Beispiele zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit führt BM Stöger weiters das Fachkräftestipendium, Ausweitung des Pflegeurlaubs, sowie eine Ausbildungszeitverlängerung an.
Auf die Frage nach dem Grundeinkommen ohne Arbeit stellt BM Stöger eine Gegenfrage: Wer kann vom Grundeinkommen leben, wenn die Sozialleistungen im Gegenzug gestrichen werden? Es besteht die Gefahr, dass das Grundeinkommen zum Almosen für die Schwächsten in unserer Gesellschaft wird. Weiters weist er darauf hin, dass die Sozialleistungen eine Errungenschaft unseres Sozialstaates sind, BM Stöger möchte diese auf keinen Fall angreifen.
Der Minister weist darauf hin, dass es die Solidarität und den sozialen Zusammenhalt mehr denn je braucht. In den letzten Jahren haben sich die Krisen in Österreich und in der EU verschärft, weil es zu wenige Investitionen in die Gesellschaft gab. Die Krise zeigt sich sehr deutlich in der Flüchtlingsbewegung. Viele Menschen sind auf der Flucht. Da tragen wir alle eine große Mitschuld. BM Stöger sieht eine große politische Verantwortung in den Händen der österreichischen Gesellschaft. Jede Einzelne/jeder Einzelne hat die Gestaltung der politischen Landschaft in Österreich in den eigenen Händen. Die Gestaltung der Politik, der Solidarität und des sozialen Zusammenhaltes muss von jedem Menschen bis in den kleinsten gesesellschaftlichen Bereich hinein, gelebt werden.
Text und Foto: Barbara Mitterndorfer-Ehrenfellner, Bischöfl. Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz