Erwerbsarbeit teilen?
Persönliche Zugänge und Erfahrungen mit Arbeitszeitverkürzung, die Frage des Lohnausgleichs bzw. eines gesicherten Auskommens bei reduzierter Erwerbsarbeit und der persönliche Zugewinn an Lebensqualität standen im Mittelpunkt der regen Diskussionen.
10 % Arbeitszeitverkürzung bringt 3 bis 7 % zusätzliche Beschäftigung
Sepp Zuckerstätter, Arbeiterkammer Wien, legte in einem Impulsreferat Zahlen und Fakten auf den Tisch, präsentierte Arbeitszeitstudien, die Entwicklungen der letzten 60 Jahre und stellte uns Modelle der Arbeitszeitverkürzung vor, etwa die Freizeitoption in der Elektrobranche.
Meist ist bisher eine Verringerung der Arbeitszeit über eine Lebensqualitätsdebatte ins Rollen gekommen.
Den Effekt von Arbeitszeitverkürzung auf Beschäftigung bezifferte er so: etwa 30 – 70 % der durch Arbeitszeitverkürzung freigewordenen Stunden werden nachbesetzt. Empirisch lässt sich sagen: Erhebungen zeigen, dass Arbeitszeitverkürzung gesamtgesellschaftlich entweder einen positiven Effekt auf die Beschäftigung hat oder – im schlechtesten Fall – sich neutral auswirkt; es gibt keine Verschlechterung. Auf der individuellen Ebene zeigt sich eine nachhaltig hohe Zufriedenheit mit einer vollzogenen Reduzierung der Arbeitszeit.
Alle Fakten kurz zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild:
- Es existiert eine große Gruppe, mindestens 17 % bis hin zu 36 %, die weniger arbeiten wollen.
- Österreich mit seinem Lebensstandard könnte es sich leisten, mehr in Freizeit zu investieren.
- Wie kann ein Ausgleich gelingen zwischen jenen, die reduziert arbeiten wollen und jenen, die (ein Mehr an) Erwerbsarbeit brauchen? Etwa 50.000 Vollzeitjobs wären durch einen Ausgleich zu schaffen.
Kontext beachten
Klar betonte Zuckerstätter aber: „Das Instrument Arbeitszeitverkürzung stellt nur bedingt eine Lösung für andere gesellschaftliche Probleme dar.“ Diese – z. B. Niedrigentlohnung in bestimmten Branchen, working poor, die gegenwärtig hohe Arbeitslosigkeit … – müssen auch darüber hinaus angegangen werden.
Arbeitszeitverkürzung lässt sich nicht losgelöst von anderen Fragen diskutieren: Verteilung der Care-Arbeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Lohnschere, Bereitschaft zur Arbeitsumorganisation, gesellschaftliche Absicherungssysteme – Rahmenbedingungen spielen eine große Rolle, wenn Arbeitszeitverkürzung vorangetrieben werden soll.
Weniger arbeiten – mehr leben
Wichtig erscheint es den TeilnehmerInnen, bei der Diskussion um Arbeitszeitverkürzung den „Nutzen“ für den Menschen herauszustreichen, das Mehr an Lebenszufriedenheit, die Steigerung der persönlichen Lebensqualität. Oft kommt dadurch ein Umdenken in Gang und Menschen entdecken die Lust auf mehr Zeitwohlstand statt mehr Geldwohlstand.
Das Forum mensch & arbeit sprach sich für eine Weiterverfolgung des Ziels „Arbeitszeitverkürzung“ aus. Dabei sollen drei wesentlichen Aspekte den Blickwinkel bestimmen:
- Arbeitszeitverkürzung als Mittel zur Steigerung der Lebensqualität
- Arbeitszeitverkürzung als Mittel zur Reduktion von Arbeitslosigkeit
- Arbeitszeitverkürzung stets verknüpft mit der Forderung nach gerechter Entlohnung, von der Menschen auch gut leben können.
Elisabeth Zarzer