Gemeinwohl-Ökonomie – Utopie oder realistische Alternative?
Wirtschaft ist der Ort, wo über die Zukunft entschieden wird. Das muss uns bewusst sein. Wir haben nicht alles in der Hand, aber wir haben als Konsument und Konsumentin, als Arbeiternehmerin und Arbeitnehmer, und als Bürger:innen einer souveränen Demokratie einen erheblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie gewirtschaftet wird.
Wenn über Wirtschaft geredet wird, kommt gleich das Geld ins Spiel. Das Bruttoinlandsprodukt, die Börsenkurse und die Bewertungen von Rating-Agenturen sind das Maß aller Dinge. Das ist unlogisch, da Geld immer Mittel ist und keinen Zweck an sich in sich trägt. Wohin wirtschaften wir eigentlich?
Nehmen wir die Hochwasserkatastrophe 2024. Je mehr Schaden, je besser für das BIP, weil: wenn die Infrastruktur kaputt geht und es viel zu ersetzen gibt, fließen die Aufträge und das Geld. Für die Wirtschaftszahlen ein Segen, für das Gemeinwohl aber nach wie vor eine Katastrophe.
Betriebe wirtschaften nicht im luftleeren Raum. Es geht immer um Mensch, Tier, Wohlstand, eigentlich um die Schöpfung als Gesamtes. Wie Betriebe finanziell dastehen – ob gesund oder nicht – wird in der finanziellen Bilanz abgebildet. Das ist gut so. Wie Betriebe demokratisch, sozial, menschlich oder ökologisch dastehen – ob gesund oder nicht – wird derzeit nirgendwo abgebildet. Auch das ist unlogisch. Es braucht die Finanzbilanz, keine Frage, aber es braucht ebenso eine Gemeinwohl-Bilanz.
Derzeit machen manche Betriebe – weltweit ungefähr 1.000 – freiwillig eine solche Gemeinwohl-Bilanz. Die Tools dazu bekommen sie vom Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie, der am 22. Juni 2011 in Österreich gegründet wurde. Die Gemeinwohl-Ökonomie hat es bis in die Verfassung des Freistaats Bayern geschafft, 2015 formulierte die EU (im europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss) eine positive Stellungnahme.
Ich finde, den 22. Juni 2011 sollte man jährlich feiern. Einerseits weil dieser positive Ansatz in kürzester Zeit viel bewirkt hat. Anderseits weil es noch eine Menge zu tun gibt und das Potenzial vorhanden ist, sprachlich und praktisch, um die Herausforderungen anzugehen.
"Eine gute Arbeit für ein gutes Leben" – und dahin wollen wir als katholische Kirche – geht nicht ohne die Gemeinwohl-Ökonomie.
Stefan Robbrecht-Roller
Alle Unterlagen und Informationen vom Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie sind frei verfügbar auf: https://www.econgood.org/
Das Gruppenbild ist auf Anfrage von Renate Hagmann entstanden. Jede/jeder war gerne dabei!
Dieser Sozialstammtisch entstand in Kooperation mit Attac.
Weitere Partner: Cardijn Haus, Bischöfliche Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz, Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung OÖ, ÖGB-OÖ Bereich Bildung und Zukunftsfragen, Sozialreferat der Diözese Linz, Treffpunkt mensch & arbeit Linz-Mitte. Gefördert durch: Österreichische Gesellschaft für politische Bildung.