KAB OÖ: Frauen unterwegs in Passau – Einblicke und Begegnungen
Als erster Programmpunkt erwartete die Gruppe ein Besuch im „s’Fachl“ in der Grabengasse. Beate Anders, die sogenannte Fachlmeisterin, erklärte der Gruppe das Konzept dieses ungewöhnlichen Ladens, das von Wien ausgehend bereits in vielen verschiedenen Städten Fuß gefasst hat. Gegen eine bestimmte Gebühr können sich dort auf insgesamt etwa 300 m² Erzeuger:innen für ihre Produkte ein Fachl mieten – eine klar definierte, holzkistengroße Verkaufsfläche – und dort in bester Passauer Lage die eigenen Waren anbieten. Die Fachl-Mieterinnen müssen ein Gewerbe angemeldet haben und für viele ist der Fachlverkauf auch ein erster Vertriebsversuch, bevor sie sich selbständig machen, erzählte Beate Anders, die als Franchise-Nehmerin ganz offensichtlich für ihre Arbeit im Passauer s’Fachl brennt. Kreatives Handwerk, Regionales, Nützliches genauso wie Dekoratives oder Schmuck sind hier zu finden und so bietet sich an einem Ort gesammelt eine große Vielfalt für Kund:innen, die z. B. ein individuelles Geschenk suchen.
Nach einem gepflegten Mittagessen in der Heilig-Geist-Stiftsschenke ging‘s weiter mit einer Stadtführung, zum Glück hatte inzwischen der Regen aufgehört. Annemarie Schmöller führte die Teilnehmerinnen quer durch die Altstadt auf den Spuren von historischen wie gegenwärtigen Frauen, die nachhaltig die Geschichte der Stadt Passau präg(t)en. So geht etwa die Gründung der evangelischen Pfarrgemeinde im 19. Jh. auf das Engagement einer Frau zurück. Die Geschichte von Gisela von Bayern, ungarische Königin etwa um 1000 n.Chr. hatte genauso ihren Platz wie jene der Schwestern Lilly und Gabriele von der Porzellanfirma Rosenstängl ein Jahrtausend später.
Mit dem Bus fuhr die Gruppe anschließend auf den Mariahilfberg ins Quartier, dem Spectrum Kirche, wo nach dem Abendessen ein Austausch mit der Diözesansekretärin Nicole Polleichtner vom KAB-Büro Freyung stattfand. Sie berichtete dabei von den verschiedenen Tätigkeiten und Herausforderungen der KAB in der Region Passau. Anders als bei uns in Österreich ist hier eine der Hauptaufgaben die sozial- und arbeitsrechtliche Beratungstätigkeit in Bezug auf die Rente; Nicole Polleichtner erzählte berührende Einzelschicksale von Frauen, die aufgrund ihrer schlechten finanziellen Situation große Schwierigkeiten haben.
Die Verbandsorganisation (Ehrenamtlichen-Bewegung) fordert auch die KAB Deutschland heraus, Mitgliederrückgang und Altersdurchschnitt sind hier wie da ein Problem. Gesellschaftspolitisches Engagement ist ihnen ebenso wichtig wie uns, z. B. hat die KAB kürzlich eine Demo für Demokratie maßgeblich mitorganisiert – die politische Entwicklung ist ja ähnlich bedenklich wie in Österreich. Dieses Begegnungsgespräch war ein sehr bereichernder Austausch über die Landes- wie Diözesangrenzen hinweg, sicherlich für beide Seiten.
Am zweiten Tag machte sich die Gruppe nach einem Morgenimpuls in der Kapelle wieder auf den Weg. Nach einem kleinen Zwischenstopp in der Mariahilf-Kirche und auf der Aussichtsterrasse ging es die lange Wallfahrtsstiege hinunter in die Stadt.
Die nächste Station war das Innwerk e.V. – eine kleine, feine „offene Werkstatt“ in der Innstadt. Julia Gasser vom Vereinsvorstand begrüßte uns herzlich, zeigte uns die Räumlichkeiten und erzählte uns, was es mit dem Innwerk auf sich hat. Ehrenamtlich gegründet und geführt, bietet es Raum und – dank einer EU-Förderung – eine hochwertige Werkzeugausstattung zum Reparieren und Neubauen in den Bereichen Holz, Textil, Metall, Fahrrad und Elektronik. Einfach unkompliziert was ausprobieren können, vielleicht jemanden mal fragen und sich über das geplante Projekt austauschen zu können, steht im Vordergrund. Gegen eine niedrige Gebühr kann der Ort sowohl von Vereinsmitgliedern als auch von anderen Interessierten genutzt werden. Das Engagement dieser jungen Frau und ihrer Kolleg:innen, die seit etwa zweieinhalb Jahren den Verein tragen, hat unsere Frauengruppe sehr beeindruckt.
Nach ein wenig Genuss-Freizeit in der Innenstadt – viele erlagen der Verlockung von „Königin Giselas Mandel-Szelet“– nahm uns Patrizia Hager vom Landratsamt Passau in Empfang. Sie stand unserer Gruppe für Informationen zu den Themen Chancengerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe, Ehrenamt und Integration zur Verfügung. Sie berichtete von Projekten zur Ehrenamtsgewinnung und -förderung, wie z.B. die Ehrenamtskarte, und sprach von der Bedeutung sogenannter „Bridge Builder“, Menschen die andere ansprechen, mitnehmen, einführen und begleiten. Das hält sie sowohl in Bezug auf das Ehrenamt als auch für den Bereich Integration und Bildung für bedeutsam. Sie sprach von „aufsuchender Arbeit“ und der Notwendigkeit von entsprechenden regionalen Angeboten vor Ort für Frauen, Migrantinnen oder Eltern. Es gibt bereits Frauentreffs und Elterntalks, in Planungen hat sie einen „Bildungsbus“, der mitsamt Materialien und Personal „aufs Land“ zu den Menschen fahren soll, dorthin wo der konkrete Bedarf ist. Mit zwei Mitarbeiter:innen versucht Patrizia Hager sehr engagiert und pragmatisch im Rahmen ihrer Planstelle so viel wie möglich umzusetzen, um Frauen bzw. anderen benachteiligten Personengruppen nicht nur theoretisch Chancen zu bieten, sondern auch die Möglichkeit, sie praktisch ergreifen zu können.
Eine Resümee-Runde schloss diese zwei Tage in Passau ab und dankbar für die vielen gemeinsamen Erlebnisse und Begegnungen, für die Einblicke und das Miteinander fuhren die Teilnehmerinnen am Montagabend wieder mit dem Zug zurück nach Oberösterreich. Geplant, organisiert und begleitet wurde dieser frauenspezifischer „KAB-Blick über den Zaun“ von Elisabeth Zarzer, Referentin im Team mensch & arbeit | KAB Oberösterreich.
(elza)