Aufwind für eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose
Im für die Sozialforschung geschichtsträchtigen Ort Marienthal wurde allen Menschen, die länger als 12 Monate arbeitslos waren, ein Job ihrer Wahl angeboten. Die Ergebnisse dieses Projektes liegen jetzt vor und Lukas Lehner besprach sie mit den Teilnehmer:innen des Sozialstammtisches.
Die erste Studie zur Arbeitslosigkeit in Marienthal wurde vor 90 Jahren durchgeführt und war bahnbrechend. Die Schlussfolgerungen von damals wurde durch das MAGMA-Projekt, obwohl das nicht die Absicht war, bestätigt. Arbeitslosigkeit kostet die Gesellschaft mehr, als eine zu den Betroffenen passende Beschäftigung zu schaffen! Wenn Menschen lange Zeit von Arbeitslosigkeit betroffen sind, verfallen sie in Lethargie und haben auch nicht die Energie und die Lust, die sogenannte „dazugewonnene“ Zeit zu genießen oder sie zufriedenstellend zu gestalten. Und Menschen wollen von sich aus arbeiten, wenn sie dazu die Chance bekommen. Auch das zeigten uns die alte und die neue Studie.
An was scheitert es dann so oft? Ein sechzigjähriger Teilnehmer am MAGMA-Projekt beschrieb es so: „Nach 600 Bewerbungsschreiben gibst du einfach auf. Die Rückmeldungen waren immer: zu alt, zu teuer, für Dienstleistungsjobs überqualifiziert …“ Durch die Jobgarantie hat er jetzt eine Stelle im historischen Archiv in Marienthal bekommen, auch über die laufende Projektzeit hinaus. Seine Welt sieht ganz anders aus – und den Staat hat es nicht mehr gekostet.
Das MAGMA-Projekt schlug außerhalb Österreichs hohe Wellen. Die New York Times und The Guardian berichteten darüber. Das EU-Parlament hat – mit Ausnahme der extremrechten Fraktion! – einstimmig für die Einführung einer Jobgarantie gestimmt. Frankreich, Belgien und die Niederlande haben schon ähnliche Projekte gestartet. Österreich hätte auch die Möglichkeit, die EU-Gelder abzuholen, aber die Politik muss dazu aktiv werden. Lukas Lehner ist skeptisch, ob Österreich den Aufwind für eine Jobgarantie für langzeitarbeitslose Menschen auch tatsächlich nützen möchte. Die politischen Diskussionen laufen leider in die entgegengesetzte Richtung.
Fehlender politischer Wille?
Eine Debatte mit der AMS-Leitung in Niederösterreich zeigte: Das AMS sieht sich nicht dafür zuständig, eine einheitliche Sozialpolitik zu betreiben. Die Jobgarantie funktioniert nicht, wenn man Gesundheit, Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik separat denkt! Aus dem Publikum kam die Bemerkung, dass es früher, unter Alfred Dallinger in den achtziger Jahren, experimentierfreudige Arbeitsmarktpolitik gab. Und mit Erfolg. Karl Immervoll, der ein ähnliches Projekt für Langzeitarbeitslose in Heidenreichstein begleitete, sagte, es interessiere die herrschenden Parteien nicht, mehr Jobs für die Gemeinnützigkeit zu kreieren. Jobs schaffen heißt derzeit der Privatwirtschaft zuzuarbeiten – ein ganz anderer Ansatz, als Jobs zu schaffen, die zu den Menschen und zu den lokalen Gemeinschaften passen.
Am Schluss wurde noch gewarnt vor einer Tendenz zu Zwangsarbeit. Wichtig ist, dass Menschen die Wahl haben, den ihnen angeboten Job abzulehnen und gemeinsam mit Ansprechpersonen Lösungen zu suchen. Deswegen kann die Jobgarantie nie die einzige Möglichkeit sein, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. In Marienthal haben alle (!) Langzeitarbeitslosen freiwillig mitgemacht und einen Job angenommen. Einige Ausnahmen sind aber berücksichtigt: Menschen, die in fraglichen Zeitraum umgezogen, in Haft gekommen oder pflegebedürftig geworden sind.
Stefan Robbrecht-Roller und Barbara Mitterndorfer-Ehrenfellner
Mehr über die Studie und weitere Arbeiten von Lukas Lehner:
Referent Lukas Lehner (online zugeschaltet) mit dem Sozialstammtisch-Vorbereitungsteam
Der Sozialstammtisch ist eine Kooperationsveranstaltung von: Cardijn Haus, Bischöfliche Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz, Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung OÖ, ÖGB-OÖ Bereich Bildung und Zukunftsfragen, Sozialreferat der Diözese Linz, Treffpunkt mensch & arbeit Linz-Mitte. Gefördert durch: Österreichische Gesellschaft für politische Bildung.
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