Mein Weg vom Kongo nach Europa
Menschen, die auf der Flucht nach Europa sind, sind oftmals schutzlos ausgeliefert: Banditen, Schleppern, der Polizei oder dem Militär. Vergewaltigung, Hunger, Schlafmangel, Kälte und Willkür sind die größten Gefahren die die Menschen bedrohen, die sich auf den Weg machen. Weil sie illegalisiert, ohne Papiere, unterwegs sein müssen. Weil sie oftmals keine legale Möglichkeit haben, sich durch Afrika nach Europa zu bewegen, um um Asyl zu ersuchen.
Die europäische Flüchtlingspolitik, die Abschottungspolitk der EU, hat einen wesentlichen Anteil an dieser unmenschlichen Situation. Das ist eine der Botschaften, die uns Emmanuel Mbolela weitergeben möchte.
Mbolela beginnt seine Ausführungen mit der Geschichte des Kongo als belgische Kolonie. Seit dem 19. Jahrhundert diente der Kongo als Rohstofflieferant für die industriellen Zentren. Kautschuk für die ersten Autoreifen, Kupfer für die ersten Stromleitungen, Uran für die ersten Atombomben und Coltan für die ersten Laptops und Smartphones kamen seither aus dem Kongo. Leider auf eine Art und Weise, dass die Bevölkerung dort nicht vom Reichtum des Landes profitieren konnte. Im Gegenteil. Immer wieder wurden Demokratisierungsprozesse im Kongo vom Norden bzw. Westen unterbunden, wenn der Rohstoffnachschub zu günstigsten Bedingungen in Gefahr war.
Das Ergebnis dieser Politik war und ist die verbreitete Korruption der politischen Eliten im Kongo sowie seit den 90er-Jahren Krieg und Bürgerkrieg. Geführt um – und finanziert durch – die Bodenschätze im Land. Diese fließen im Interesse nördlicher und westlicher Konzerne weiter.
Als Student im Kongo engagierte sich Emmanuel Mbolela politisch für Frieden und Demokratisierung. Anlässlich einer Kundgebung, die Präsident Joseph Kabila dazu bewegen wollte, einen in Verhandlung befindlichen Friedensvertrag zu unterzeichnen, kam es zu gewalttätigen Übergriffen und Schüssen von Polizei und Militär auf die unbewaffnete Menge. Mbolela als Mitorganisator wurde inhaftiert. Zwei seiner Freunde kamen ums Leben. Aus der Haft kam Mbolela nur unter der Bedingung frei, sofort das Land zu verlassen. So begann seine Flucht. Zwei Jahre war Mbolela ohne Papiere unterwegs bis er in Marokko ankam. Dort erhielt er zwar von der ansässigen UNHCR, dem UNO Flüchtlings-Hochkommissariat, den Flüchtlingsstatus zuerkannt. Dieses Papier ist in Marokko jedoch wertlos.
"Die Papiere des UNHCR haben uns nicht vor Polizeiwillkür geschützt. Außerdem waren wir ausgeschlossen von jeglicher Arbeit, Schulbildung und Sozialleistung. Wir mussten uns tagsüber vor Razzien verstecken und waren Opfer von Rassismus, Rückschiebungen und Polizeigewalt", fasst Mbolela die Situation der Flüchtlinge in Marokko zusammen.
Auch gegen dieses Unrecht wird Emmanuel Mbolela aktiv und engagiert sich. Er gründet gemeinsam mit anderen eine Organisation kongolesischer Flüchtlinge in Marokko: ARCOM. Bis heute setzt sich ARCOM für die Rechte und den Schutz von Flüchtlingen in Marokko ein. Aus dieser Organisation heraus wurde unter anderem ein Haus gegründet, welches Frauen auf der Flucht eine geschützte Wohnmöglichkeit bietet. Dafür gäbe es noch viel mehr Bedarf.
Über Vermittlung des UNHCR konnte Emmanuel Mbolela schließlich in die Niederlande reisen und hier Asyl unter rechtsstaatlichen Bedingungen erlangen. Auch von hier aus setzt er sich weiter als Aktivist für globale Bewegungsfreiheit sowie gerechte und demokratische Bedingungen in seiner Heimat dem Kongo ein.
Die anschließende Diskussion mit dem Publikum des Sozialstammtisches kam auch zur Frage, was wir, BürgerInnen in Europa, zu einer Verbesserung der Situation im Kongo sowie von Menschen auf der Flucht tun können.
Emmanuel Mbolela setzt auf Bewusstseinsarbeit. Deshalb habe er auch das Buch geschrieben, meint er.
Zwei Richtungen des Engagements sind ihm besonders wichtig: Einerseits der Einsatz für Demokratisierung und Gerechtigkeit in den Ländern Afrikas. Es sind auch europäische Konzerne, die dort Rohstoffe ausbeuten. Es sind europäische Regierungen die Mithelfen, korrupte PolitikerInnen an der Macht zu halten. Dagegen können wir BürgerInnen auftreten.
Andererseits fordert Mbolela dazu auf, sichere Reisewege für Menschen zu schaffen, die sich auf den Weg nach Europa machen, um hier Schutz, Sicherheit und Perspektiven für ihr Leben suchen. Die Abschottungspolitik der EU müsse weichen. Der Zugang zur Europäischen Union für Flüchtlinge erleichtert werden und auch innerafrikanisch müssten Visabestimmungen gelockert werden. Leider gehen im Moment alle Bestrebungen der EU-Politik – auch in Partnerschaften mit den Ländern Afrikas – genau in die gegenteilige Richtung.
Doch wenn Menschen auf der Flucht nicht die Möglichkeit haben, sich legal in Richtung Europa zu bewegen, dann müssen sie das illegal tun. Das öffnet Tür und Tor für ausbeuterische Schleppernetze, Gewalt, Übergriffe und Willkür jeder Art gegenüber den ungeschützten, illegalisierten Flüchtlingen.
Auch hier sollte Europa seiner Verantwortung ins Auge schauen.
Rainer Rathmayr
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