Spannender Sozialstammtisch mit Barbara Blaha
Im Netz sehr umtriebig, beschreibt sie ihre Mission als eine, die sich in den Dienst der Vielen stellt - für jene Menschen, die sich am unteren Ende der sozioökonomischen Skala wiederfinden. Gewohnt pointiert, bildhaft und mit viel Herzblut skizziert sie die Auswirkungen der Coronapandemie für die Arbeitnehmer:innen in Österreich. Der Befund, den sie dem österreichischen Sozialstaat ausstellt, ist kein guter: Bereits existierende soziale Schieflagen wurden in der Pandemie ausgeleuchtet und verstärkt. Jene Menschen, die bereits vor der Krise existentielle Schwierigkeiten zu meistern hatten, wurden von den Maßnahmenpaketen der Regierung zu wenig unterstützt, als dass sich ihre Situation hätte zum Besseren wenden können.
Der Sozialstaat, so Blaha, hat in der Krise dort versagt, wo es essentiell gewesen wäre: Arbeitslose, "working poor" und Frauen zahlten den Preis dafür, dass wiederum andere durch die ungerechtfertigte Förderkultur den Wohlstand sogar vermehren konnten. Die Zahlen, die immer wieder präsentiert werden, sprechen eine eindeutige Sprache: So ist z.B. der Anteil vermögensbezogener Steuern am BIP in Österreich (0,5 %) im internationalen Vergleich extrem niedrig (in Frankreich 4,4 %), die Abgabenquote auf Arbeit liegt in Österreich hingegen bei durchschnittlich 47,6 %.
Im gut gefühlten Cardjin-Haus wurden im Anschluss an den Vortrag noch wichtige Fragen und Zusammenhänge geklärt: So befindet Barbara Blaha, dass "das richtige Proletariat in Österreich schon längst kein Wahlrecht mehr hat", da dieses sehr restriktiv ist. Einher mit der Problematik einer ausgehöhlten Demokratie geht die Tatsache, dass sich politische Mehrheitsverhältnisse nicht verändern können, wenn die Betroffenen aus dem demokratischen Prozess ausgeschlossen sind.
Der Befund zum österreichischen Sozialstaat ist recht eindeutig: Es braucht einen demokratischen Prozess, der die Lebensrealität der Vielen nicht ausschließt, es braucht systemische Lösungen, die jenen Menschen eine Absicherung gewährleistet, die existentiell bedroht sind. Das enorme Ungleichgewicht in der Vermögensverteilung muss durch Umverteilung beiseitigt werden, damit der Sozialstaat seiner eigentlichen Aufgabe wieder nachkommen kann. Denn es dürfen nicht immer nur jene profitieren, die es sich leisten können.
"Wir sitzen alle im selben Boot", so Blaha, "aber den Applaus vom Sonnendeck höre ich im Maschinenraum schon lange nicht mehr."
Harald Rechberger