Solidarität und Hoffnung
Universale Solidarität in Zeiten der Pandemie
Solidarität ist ein viel ge- und missbrauchtes Wort. Wir nehmen wachsende Egoismen, Nationalismen und die Bildung von Sündenböcken wahr. Es könnte kippen zwischen den sozialen Gruppen im Land. Es fehlt an internationaler Solidarität gerade mit den Schwächsten, den Flüchtlingen, besonders an den EU-Außengrenzen und in den armen Ländern. Dennoch: Solidarität ist – nach Dorothee Sölle – der menschlichste Ausdruck der Gottesliebe!
„Wir brauchen eine neue universale Solidarität“ (Papst Franziskus in LAUDATO SI‘ 14), mit deren Hilfe wir „die verschiedenen Ebenen des ökologischen Gleichgewichts zurückgewinnen“ können: „das innere Gleichgewicht mit sich selbst, das solidarische mit den anderen, das natürliche mit allen Lebewesen und das geistliche mit Gott.“ (vgl. LAUDATO SI’ 210): Die Corona-Krise macht deutlich, wie prekär unsere Gesellschaft organisiert ist.
Deshalb sehen wir es höchst an der Zeit, die zum Himmel schreienden Missstände, das Unrecht und die vielfältigsten Formen der Ausbeutung von Mit-Menschen und Mit-Geschöpfen aufzuzeigen und ihnen ihre von Gott gegebene Würde wieder zuzusprechen, für menschenwürdige Arbeits- und Lebensverhältnisse einzutreten und den Menschen Hoffnung und Zukunft zuzusprechen.
Wie die prophetischen Gestalten der Bibel hören wir hin und klagen wir an: „Ich höre das Schreien meines Volkes!“ (vgl. Ex 3,7) – „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“ (Lk 1,52). Ihnen gleich machen wir Mut und verkünden Visionen der Umkehr: Das gute Leben ist nahe! Jetzt ist die Zeit!
Pfingsten 2020
Eine Initiative von mensch & arbeit der Diözese Linz unter Einbindung der Fachausschüsse ‚Schöpfungsverantwortung‘ und ‚Arbeit und Soziales‘ des Pastoralrates der Diözese Linz und der Betriebsseelsorge Graz-Seckau.
Solidarität und Hoffnung
Ich sehe Männer und Frauen, die in großer Zahl arbeitslos geworden sind ohne Perspektive am Arbeitsmarkt. Ich sehe viele junge Menschen, denen der Einstieg in die Berufswelt im Moment verwehrt wird. Ich sehe Männer und Frauen im Kunst- und
Kulturbereich und in Kleinunternehmen, die ohne Einkommen dastehen – unsicher, wie es weitergeht. Sie alle sorgen sich um ihr Auskommen und liegen nachts wach in Gedanken daran, was kommen wird und ob sie es schaffen können.
Ich sehe viele Frauen und auch Männer, die in Pflegeberufen ihr Letztes geben, unter schwierigen Bedingungen da sind, pflegen, Abstand halten und sich und andere schützen. Die Angst davor, andere unabsichtlich zu infizieren, ist groß. Viele sind wütend, weil ihre Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und nach Verringerung der Arbeitszeit nicht umgesetzt werden.
Ich sehe Arbeiter und Arbeiterinnen in „Versorgungsberufen“: Sie reinigen, verkaufen, lagern, verschicken, verteilen, fahren Busse und Taxi, lenken Züge, betreuen Kinder und alte Menschen. Ihre Arbeit ist wichtig, da sind sich alle einig. Ihre Löhne sind niedrig, das stört sie selber und ein paar andere. Offensichtlich zu wenige, um Veränderungen in die Wege zu leiten.
Ich sehe Menschen, für die die Einsamkeit erdrückend groß und die mediale Welt sehr weit weg ist. Sie sehnen sich nach Begegnungen, Nähe und Alltag.
Ich sehe Menschen an den Grenzen Europas – zusammengepfercht, auf sich gestellt, unterversorgt und scheinbar vergessen.
Ich glaube an einen Gott des Lebens und der Liebe. An einen Gott der gerechten Verhältnisse und der Solidarität. Ich glaube an einen Gott, der uns als sein Volk an den Rändern dieser Welt sehen will, mitleidend, mitstreitend mit jenen, die arm gemacht und ausgegrenzt werden. Ich glaube an einen Gott, der das Leben in Fülle für alle will: feiernd, tanzend, lachend mit den Menschen auf dem Weg.
Alle Menschen sind gleich an Würde und Wert.
Ich sehe eine Welt, in der wertvolle Arbeit für die Gesellschaft gerecht entlohnt wird. Ich sehe eine Welt, in der Menschen sinnvoll tätig sind und jede und jeder Talente einbringen kann nach ihrer Art und seinem Vermögen. Ich sehe eine Welt, in der Männer und Frauen gleichberechtigt sind und die Arbeit in Erziehung, Pflege und Betreuung gerecht verteilt ist.
Die Erde war vor uns da und ist uns gegeben.
Wir sind beauftragt, die Erde und alle Lebewesen zu schützen und zu bewahren. Ich sehe eine Welt, in der die Güter dieser Erde gerecht verteilt werden und auch unsere Nachkommen noch reich beschenkt sind mit Vielfalt und Fülle. Ich sehe eine
Welt, in der Menschen in ihrer Einzigartigkeit geachtet werden.
Solidarität TUN ist uns ChristInnen aufgetragen.
Ich sehe eine Welt, in der wir einstehen für gerechte Lebens- und Arbeitsbedingungen, eine Welt, in der bei der Verteilung von Gütern und Gewinnen alle Menschen dieser Erde fair berücksichtigt werden. Ich sehe eine Welt, in der Bildung und Arbeit für alle zugänglich ist. Ich sehe eine Welt, in der Zusammenleben mit demokratischen Entscheidungen so organisiert ist, dass alle Menschen ein „Gutes Leben“ haben.